Früher war alles besser? – DB-Chef Infrastrukturprojekte Süd

Shownotes

Gerd Matschke ist als Leiter der Infrastrukturprojekte Süd bei der Deutschen Bahn zuständig für Hunderte Projekte, darunter auch für Ulm-Augsburg. Ein Gespräch über Beschleunigungsgesetze, die nichts beschleunigt haben, was Eisenbahninfrastruktur mit einem Jenga-Turm zu tun hat und wie doof die Bahn eigentlich wirklich ist.

Über den Deutschlandtakt haben wir mit dem Vorsitzenden des Verkehrsclub Deutschlands in Bayern, Dr. Christian Loos, in der Folge „Zugfahren wie in der Schweiz? – Der Deutschlandtakt“ gesprochen.

Welche Möglichkeiten es gibt, Betroffene bestmöglich mitzunehmen, hat uns Ingrid Felipe, DB-Vorständin Infrastrukturplanung und -projekte, in der Episode „Die Leisen hörbar machen“ erzählt.

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Gerd Matschke: Läuft's richtig schlecht im Moment. Der größte Teil unserer Stellwerke, der kommt aus den 50er, 60er Jahren. Wie der Turm, noch ein paar Stückchen raus und er stürzt und das wollen wir wirklich nicht.

Andrea Morgenstern: In Bayern gibt es rund 1400 Bahnprojekte. Viele davon sind klein, einige wie Ulm-Augsburg, ziemlich groß. Wir sprechen heute mit demjenigen, der für all diese Projekte die Verantwortung trägt, dem Leiter Infrastrukturprojekte Süd, Gerd Matschke. Hallo Herr Matschke. Herr Matschke. Viele Menschen können sich aktuell darauf einigen, dass die Bahn doof ist. Mögen Sie eigentlich Ihren Job?

Gerd Matschke: Also ich finde gar nicht, dass die Bahn doof ist und ich glaube, viele Menschen finden das auch nicht. Also wenn man guckt, im Fernverkehr haben wir fast wieder das Niveau erreicht oder vielleicht sogar übertroffen von 2019, das war unser Rekordjahr. Und auch die anderen Verkehrsträger werden irrsinnig nachgefragt im Nahverkehr, im Güterverkehr. Also von daher, um Nachfrage müssen wir uns keine Sorgen machen. Und das spricht schon mal dafür, dass die Bahn so doof nicht sein kann. Und auch wenn man sich die öffentliche Debatte ansieht, glaube ich, sind wir wirklich ganz stark im Aufwind, werden wahrgenommen als umweltfreundliches Verkehrsmittel, werden wahrgenommen als attraktiver Arbeitgeber. Also insofern die These stütze ich nicht so ganz. Aber also unabhängig davon mir macht der Job total viel Spaß, er ist unglaublich vielseitig und von der Politik, was ja auch die gesellschaftliche Relevanz unterstreicht. Ganz viel Technik auch. Man hat sehr viel mit Menschen zu tun und man sieht dann am Ende jedes Tages fast das wird die Bahn wieder ein Stück besser gemacht haben, mit Bestandsnetzprojekte, wo wir ganz viele haben. Und ja, mit den Großprojekten dauert es außer bei der VDE 8 noch ein kleines bisschen, bis man es bauen kann. Aber auch da, jeden Tag gibt es einen kleinen Fortschritt. Und das finde ich unglaublich befriedigend.Und das finde ich unglaublich befriedigend.

Theresa Wiesmeier: Jetzt haben Sie die Instandhaltung angesprochen. Wenn man über Verspätungen spricht, kommt man früher oder später auf die marode Infrastruktur zu sprechen. Sie sind schon sehr lange bei der Bahn und waren zuletzt für das Anlagen- und Instandhaltungsmanagement im Norden zuständig. Frage an jemanden, der es wissen muss: hat man das nicht kommen sehen?

Gerd Matschke: Ja, klar. Ich meine, das ist mit Ansage in gewisser Weise die Infrastruktur, die ist ja geduldig. Stahl und Beton sind geduldig, sagt man. Und ich vergleiche das immer so mit so einem Jenga-Turm. Da hat man halt immer Jahr für Jahr ein Stückchen rausgezogen, in man halt nicht so instandhalten konnte und die Anlagen nicht so erneuern konnte, wie wir das eigentlich gewollt und gemusst hätten. Und jetzt haben wir halt leider Gottes ein Zustand erreicht, in dem der Turm schon ganz, ganz arg wackelt. Und wenn man noch sehr viele Steinchen rausziehen aus dem Gebilde, dann wird er irgendwann mal einstürzen. Also ja, die Entwicklung war absehbar. Aber sicherlich hatte ja auch der Bund gute Gründe dafür, dass er uns nicht mit den Mitteln ausstatten konnte, die es eigentlich gebraucht hat. Ja, die Situation ist jetzt so, wie sie ist. Und jetzt müssen wir nach vorne gucken und das Beste draus machen.

Theresa Wiesmeier: Sie sind für knapp eineinhalb tausend Bauprojekte in Bayern verantwortlich. Manche davon sind regelmäßig Thema der Nachrichten. Wie gut schlafen Sie da?

Gerd Matschke: Ich schlafe sehr, sehr gut. Also erstens ist in allen Projekten mittlerweile eine relativ gute Akzeptanz in der Öffentlichkeit erreicht. Ulm Augsburg ist ein sehr gutes Beispiel, wo die Akzeptanz sehr, sehr breit und sehr, sehr gut ist. Aber auch bei kritischen Projekten oder bei Projekten, die sehr kritisch gesehen wurden, Brenner-Nordzulauf beispielsweise, ist mittlerweile der Konsens viel, viel größer und gut und wir tun ja auch viel und machen Anpassungen, um das Projekt so, so gut wie möglich an die Bedürfnisse der Menschen vor Ort anzupassen. Wir haben ein tolles Team überall und von daher schlafe ich sehr, sehr gut, weil ich mich auf die Mannschaft verlassen kann und weiß, dass unsere Projekte da in den richtigen Händen sind, auch in die richtige Richtung gehen.

Andrea Morgenstern: Ich glaube, eine Erfahrung, die nicht nur ich mache, sondern wir alle, die bei der Bahn arbeiten. Wenn man mit Freunden, Bekannten zusammen ist, geht es früher oder später los mit den Beschwerden und den Nörgeleien über die Bahn. Aber jetzt mal Hand aufs Herz: Wie schlecht läuft es eigentlich wirklich?

Gerd Matschke: Na ja, das kommt auf die Perspektive an. Ich glaube, aus der Sicht der Fahrgäste und der Transportunternehmen läuft es richtig schlecht im Moment. Bei Pünktlichkeit im Fernverkehr von jetzt im Durchschnitt, im Jahresdurchschnitt dieses Jahr 63 %. Da kann niemand zufrieden sein mit und möchte ich nicht von Zumutung sprechen, aber die Belastung für die Fahrgäste ist natürlich schon groß und gleiches trifft ja auch für die Transporteure zu oder für die vielen, vielen Kunden, die unsere Produkte im Nahverkehr benutzen. Klar, die Infrastruktur, die ist tatsächlich am Ende. Wir müssen da sehr, sehr viel erneuern. Ein hoher Anteil unserer Anlagen, gerade in den Gewerken Oberbau, Gleise, Weichen, aber auch Stellwerke sind sehr, sehr stark überaltert. Wenn Sie sich vorstellen, der größte Teil unserer Stellwerke, der kommt aus den 50er, 60er Jahren, das haben Sie beide gar nicht mehr miterlebt. Damals gab es noch Röhrenfernseher, und das ist die Technologie, die wir, mit der wir unsere Stellwerke betreiben. Und von daher ist da eine Erneuerung dringend, dringend, dringend notwendig. Und das ist ein riesengroßer Berg, dass sich da ein Rückstau angehäuft hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Und insofern sowohl von der Außensicht, von der Kundenperspektive die Situation gar nicht befriedigend als auch in der Innenperspektive nicht befriedigend. Die alten Anlagen, die sind halt sehr störanfällig und verursachen deshalb auch viele Störungen, die wir mit kleinen und großen Baustellen und versuchen zu beheben. Was Teil des Dilemmas ist, vor dem wir jetzt momentan stecken und warum die betriebliche Situation so schwierig ist. Also ja, das ist schon eine ernste Situation und wir müssen es jetzt entschlossen angehen. Sonst, wie gesagt, der Jenga-Turm, noch ein paar Stückchen raus und er stützt ein und das wollen wir wirklich nicht.

Andrea Morgenstern: Und ab wann wird es wieder besser?

Gerd Matschke: Also wenn die Analyse richtig ist, dass das schlechte Infrastrukturzustand ein ganz, ganz wichtiger Treiber ist, und wenn es richtig ist, dass sich da ganz viel Rückstau angesammelt hat, dann ist es mittlerweile eine Erneuerung der Anlagen. Und da ist wieder so ein bisschen auf die Baustellen guckt, muss es nicht unbedingt die Bahn sein, auch wenn man ein Haus neu baut. Es braucht halt einfach Jahre vom Plan, bis dann die neue Anlage, die neue Infrastruktur steht. Also insofern wage ich jetzt nicht allzu optimistisch sein, dass es ganz, ganz schnell gehen wird. Wir arbeiten da an einem Projekt, das heißt, SB2 System stabilisieren, Betrieb beruhigen, ganz stark dran, Dinge auch neu und besser zu machen. Beispielsweise eine getaktete Instandhaltung, die viel effizienter dann arbeiten kann. Oder aber auch das, was wir jetzt machen mit den Hochleistungs-Korridoren eben nicht mehr Jedes Jahr fünf Baustellen an einer Strecke, sondern die Baustellen bündeln in den sogenannten Korridoren und dafür dann über mehrere Jahre über viele Jahre dann Ruhe haben. Also das sind so Rezepte, die wir anwenden, um einerseits schnell in die Erneuerung reinzukommen und auf der anderen Seite das so kundenerträglich, so kundenfreundlich mag ich nicht sagen, weil auch das ist eine Belastung. Jede Baustelle ist eine Belastung, es so kundenerträglich wie möglich zu machen. Ja, wird ein bisschen dauern, leider so ganz, ganz schnell werden wir uns da nicht freischwimmen können.

Theresa Wiesmeier: Wir sind bei Ihnen, weil Sie unter anderem auch für unser Projekt zuständig sind. Welche Bedeutung hat Ulm-Augsburg unter den bayerischen Großprojekten?

Gerd Matschke: Na, ich würde sagen, es ist ganz, ganz vorne mit dabei und auf jeden Fall in einem Atemzug zu nennen mit der ABS38 oder auch mit Brenner-Nordzulauf. Also eines der ganz, ganz großen und wichtigen Projekte für Bayern. Und in Bayern ist ja auch für die örtliche Bevölkerung tatsächlich ein großer Gewinn, wenn es mal fertig steht. Fahrzeiten zwischen Ulm und Augsburg, 26 Minuten oder weniger mit Günzburg 40. Das ist natürlich ein Wahnsinns-Fortschritt, wenn man denkt, mit dem Auto braucht eine Stunde und mit der Bahn nicht einmal eine halbe. Das ist schon gewaltig, würde ich sagen. Und für die Region, die wächst da noch mehr zusammen. Auch für den Nahverkehr natürlich ein großes Plus, weil dann die Verkehre von der Altstrecke wegkommen und dort viel mehr Platz ist. Auch bessere Nahverkehrsangebote können dann gemacht werden. Die Umweltaspekte, klar ist auch gut, weil wir nach neuesten Standards bauen und Lärmschutz betreiben. Das heißt insgesamt werden wir leiser werden, obwohl wir mehr Verkehr fahren können. Also von daher für die Region, für die Menschen in der Region tatsächlich eine Reihe von Vorteilen, wenn es mal fertig ist und wenn wir den Rahmen etwas größer ziehen auf Deutschland oder auf Europa sogar, dann ist es natürlich auch ein extrem wichtiges Projekt, weil es Teil von Deutschlandtakt ist und wichtige Voraussetzung vom Deutschland Takt. Das heißt, alle halbe Stunde fährt ein Zug aus den Knoten raus und schließt dann die Metropolen deutschlandweit an, auch das natürlich ein großes Plus. Und dafür brauchen wir die Strecke unbedingt. Oder auch wenn man die Ost-West-Achse anschauen zwischen Paris und Budapest. Auch da ist es natürlich dann ein Lückenschluss, der dadurch entsteht für den Güterverkehr, für den Fernverkehr. Also insofern eine große Bedeutung sowohl für die Region, für Bayern als auch für Deutschland, bis man kann den Kreis auch nach Europa spannen.

Andrea Morgenstern: Für die Zuhörerinnen und Zuhörer gerne noch zum Nachhören: Wir haben noch einen Podcast zum Deutschlandtag mit Herrn Dr. Loos. Welches ist denn Ihr Lieblingsprojekt von Ihren vielen bayerischen Projekten?

Gerd Matschke: Das ist eine Fangfrage, eine Suggestivfrage.

Andrea Morgenstern: Nein.

Gerd Matschke: Nein, nein, nein.

Andrea Morgenstern: Sie müssen nicht Ulm-Augsburg sagen.

Gerd Matschke: Ich habe sie natürlich alle lieb und alle sind irgendwie relevant, auch die ganz kleinen, auch wenn man nur einen Bahnübergang erneuert. Dann ist der auch wichtig für die Kommune, oder da wo er ist und auch für den Landwirt, der vielleicht da die Gleise queren muss. Also insofern, man kann nicht sagen, die kleinen Sachen sind unwichtig, die großen sind wichtig, alles ist wichtig und alle sind bedeutsam. Ulm-Augsburg mache ich tatsächlich gern als erstens, weil es erstens sehr gut läuft, weil es einen großen Rückhalt findet, auch in der kommunalen bayerischen Politik und auch in der Bevölkerung habe ich den Eindruck, weil der Dialog, den Sie da gemacht haben, sehr, sehr eng ist und sehr, sehr gut ist, weil das Projekt gut im Plan liegt und gut vorankommt. Auch Trassenauswahlverfahren ist auf dem Weg und wenn alles gut läuft, dann sind wir nächstes Jahr im Bundestag und haben dort die Bundestagsbefassung und dann den Beschluss, dass wir den Plan so umsetzen können. Also von daher, ich habe viel Freude daran, nicht zuletzt auch von der tollen und jungen Mannschaft, die wir da haben in Augsburg. Ich war ja ein paar Mal bei ihnen zu Gast. Und es ist wirklich schön, wie motiviert und engagiert Sie da vorangehen. Ja, sie werden auch wachsen im Projektfortschritt und von daher tatsächlich auch ein sehr, sehr schönes Projekt, wo ich sehr gerne mit dabei bin.

Andrea Morgenstern: Freut uns zu hören. Früher war alles besser, hört man oft über die Bahn. Sie sind jetzt seit 1996 schon dabei. Was war denn früher wirklich besser?

Gerd Matschke: Ich weiß nicht, ob es früher besser war. Es war anders, oder? Und ich denke so überhaupt nicht: Früher war alles besser. Ich mein, wirklich, früher war es anders. Die Randbedingungen waren früher einfach ganz andere. Nun mal zum Beispiel in Ulm-Augsburg mag man es bedauern, dass wir seit vielen Jahren schon uns mit dem Projekt auseinandersetzen. Erst mal politisch und seit ein paar Jahren tatsächlich auch mit der Planung. Man mag bedauern, dass früher tatsächlich die erste Strecke zwischen Ulm und Augsburg innerhalb von vier Jahren geplant und gebaut worden ist. Unglaublich, vier Jahre, ist halt 170 Jahre her. Damals hat man noch ein bisschen anders politische Verhältnisse, die wollen wir heute auch nicht mehr haben. Ja, und die Strecke, das sind halt dann auch nur vier Züge gefahren am Tag. Also es war einfach anders. Und wir sind halt heute eingebettet in ganz andere politische, gesellschaftliche Rahmen und Randbedingungen. Die Anforderungen sind ganz, ganz andere als damals. Wir haben auch die Bürgerbeteiligung, die ja auch dann entsprechend ja tatsächlich Zeit kostet im Projektlauf. Das ist eine gute Sache, weil sich die die Menschen, die davon betroffen sind, gut einbringen können, das dann auch eher als ihr Projekt akzeptieren können. Und Zustände wie in anderen Nationen, wo dann vielleicht eher mehr diktatorisch gebaut wird, das steht dann auch wirklich schnell und ist schnell fertig. Das wollen wir ja auch nicht wirklich haben, solche Bedingungen wollen wir nicht. Also insofern: wichtig ist, dass wir uns engagieren. Ich glaube nicht, dass es früher besser war. Es war anders und wir machen immer das Beste draus.

Andrea Morgenstern: Fahren Sie denn eigentlich persönlich gerne Bahn?

Gerd Matschke: Ich fahre sehr gerne Bahn und bin auch natürlich als NetzCard-Besitzer oft und gern mit der Bahn unterwegs. Ich finde es einfach viel, viel entspannender. Man hat einen Sitzplatz, ich kann lesen, wenn ich müde bin am Abend, dann kann ich auch ein Nickerchen machen und kann arbeiten. Also Bahn ist schon ein tolles Verkehrsmittel. Abgesehen davon, dass man für die Umwelt halt auch was Gutes macht und man das Auto stehen lässt, finde ich es viel, viel entspannter.

Gerd Matschke: Ich bin kein Autofahrer, eher Bahnfahrer.

Theresa Wiesmeier: Jetzt hatten Sie schon gesagt, dass die Genehmigungsverfahren langsam immer länger dauern. Was können wir als Infrastruktursparte der Deutschen Bahn tun, um bei Großprojekten schneller voran zu kommen?

Gerd Matschke: Ja, es dauerte wirklich Jahrzehnte, sprichwörtlich Jahrzehnte. Man braucht einen sehr langen Atem, sowohl wir selber als auch dann ja tatsächlich auch die Öffentlichkeit und die Gesellschaft bis das, was man für sinnvoll erachtet hat, dann wirklich da ist. Und der Zeitraum ist schon lang. Ich glaube, es sind zwei Aspekte, die wir machen können. Also einmal nach außen hin einfach in den Dialog treten, also in den Dialog treten, sowohl mit dem Bund, der uns da beauftragt mit diesen großen Projekten, nicht nur über Projektinhalte oder wie man das Projekt vielleicht am besten schneiden könnte, sondern auch über die Randbedingungen. Da denke ich es beispielsweise an das MGVG, das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz, Das war der Versuch das alles schneller zu machen ist, hat sich dann eher als Gegenteil rausgestellt. Das hat uns mehrere Jahre gekostet. Bei der ABS38 durften wir es ausprobieren. Aber ich glaube nicht zuletzt aufgrund unserer Feedbacks hat sich der Bund dann entschlossen im November, dass er das Projekt, dass das Gesetz wieder zurückzieht. Also immer im Dialog bleiben mit der Politik im Bund, im Land, auch mit den Bürgern. Das ist ganz wichtig. Gerade aufgrund der Beteiligung, die die Öffentlichkeit Gott sei Dank wahrnimmt. Es ist nicht immer angenehm für uns, weil wir ganz kritische Diskussionen führen. Aber es ist eine gute Sache und ist Teil der Demokratie, dass wir es machen. Also insofern ganz viel Dialog, ganz viel erklären. Das wäre so die Außensicht und nach innen hin: Ich glaube, wir brauchen gute Leute, das ist ganz wichtig, die, die Projekte machen für uns, oder wahrscheinlich sogar das Wichtigste. Ohne die richtigen Menschen, engagierte, fachlich Versierte klappt es alles nicht. Wir müssen dann schauen, dass wir natürlich engagiert sind, Innovationen einbringen, ins Projekt gucken, dass wir die Zeitpläne halten, also einfach zuverlässig agieren und auch innovative Bauverfahren beispielsweise befördern, einführen. Die Industrie, das soll sie umsetzen. Oder wir können sie ermutigen, so was zu machen, einfach damit wir auch schneller planen, schneller bauen können, beispielsweise BIM wäre ein Stichwort. Das hilft uns bestimmt. Und das sind Sie ja auch bei Ulm-Augsburg gut dabei.

Theresa Wiesmeier: Stichwort gute Leute: Sie haben rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Was machen die den ganzen Tag?

Gerd Matschke: Ja, es sind tatsächlich 800. Das ist, wie ich vor einem Jahr dazugekommen bin, hier nach München, da haben wir gut 600, jetzt 800. Also wir wachsen wahnsinnig stark. Und ich find's total klasse, wir haben fast 40 % Frauenanteil, was ich bemerkenswert finde, was ich auch total gut finde. Es sind viele, viele verschiedene Nationen, ich habe es nicht ausgewertet, aber manche sagen so über 20 verschiedene Nationen, bei uns an Bord, was wichtig ist, weil wir Fachkräfte brauchen wir von überall her und von daher ist es total cool. Die meisten davon sind Projektingenieure, Projektleiter, also eher mit technischem Hintergrund. Aber wir haben genauso Artenkartierung beispielsweise, also Artenspürhunde, die schauen, ob irgendwelche Reptilien, seltene Arten, sich im Gleisbereich verbergen, verstecken, die dann entsprechend dann ausgegliedert, ausgewildert werden müssen. Wir haben natürlich auch Kaufleute bei uns, die das Ganze steuern. Wir kümmern uns um die Umwelt, wir kümmern uns um Logistik, also ein ganz, ganz breites Portfolio an Menschen. Und ich nehme an, dass die alle ganz, ganz fleißig arbeiten jeden Tag, dass die Projekte gut vorankommen.

Theresa Wiesmeier: Auf jeden Fall. Und was sind dabei Ihre Aufgaben?

Gerd Matschke: Na gut, ich muss gucken, dass die Randbedingungen entsprechend da sind, dass die vielen, vielen jungen, meistens es junge Menschen, gottseidank, die Alterspyramide, die geht da schön nach unten auf, was sehr gut ist. Da sind diese jungen Menschen dann lange bei uns bleiben und viel Erfahrung sammeln, dann freut uns das ungemein. Mein Job ist es, die Randbedingungen entsprechend zu schaffen, dass das jeder so gut wie möglich arbeiten kann, dass die Projekte voran gehen, vielleicht die eine oder andere politische Woge auch mal zu glätten, das ist so mein Job.

Andrea Morgenstern: Ich würde noch zwei Abkürzungen erklären für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer. Wir sind ja bei der Bahn immer Spezialisten für Abkürzungen. Einmal ist die ABS38 gefallen. Das ist die Ausbaustrecke 38 von München über Mühldorf nach Freilassing mit der Abzweigung nach Burghausen und BIM ist auch noch gefallen. Das ist Building Information Modeling, das eine sehr moderne, ja modernes Programm, moderne Technik bei der Planung zum Einsatz kommt.

Theresa Wiesmeier: Da haben wir auch noch eine Folge mit dem Kollegen Amin Koubaa, gerne auch noch mal zum Nachhören. Lohnt sich.

Gerd Matschke: Unbedingt. Eine ganz tolle Sache.

Andrea Morgenstern: Herr Maske, die Generalsanierung startet in Bayern voraussichtlich 2026 mit dem sogenannten Hochleistungskorridor Nürnberg-Regensburg. Sind Sie schon nervös?

Gerd Matschke: Nein, nervös nicht, aber schon, wie soll ich mal sagen, eine gewisse Anspannung ist schon da, weil es ein total wichtiges Projekt und ein wichtiges Vorhaben natürlich ist. Ziel der Generalsanierung ist ja innerhalb von fünf Monaten tatsächlich eine 100 Kilometer lange Strecke von Grund auf zu erneuern. Das ist alles, jede Anlage – wir sprechen hier von Anlagen, damit meinen wir Weichen, Brücken, Gleise, Stellwerke – also jede von diesen Anlagen, die einen schlechten Zustand hat, die soll erneuert werden, und das soll in fünf Monaten geschehen. Und dafür sollen dann 5 bis 8 Jahre dann keine Baustellen, keine großen Baustellen mehr stattfinden. Instandhaltung ja, und das ist für uns schon eine Herausforderung, eine große Aufgabe, diese vielen, vielen, vielen Baubedarfe, die wir da haben, so zu bündeln, dass die alle in den fünf Monaten Platz finden, dass das logistisch dann auch abgewickelt werden kann. Wir haben nicht nur Freunde mit dem Konzept, das muss man auch offen und ehrlich sagen.

Gerd Matschke: Natürlich ist es für die Eisenbahnverkehrsunternehmen schwierig, mit einer fünfmonatigen Sperrung umzugehen. Der Güterverkehr muss zum Teil sehr große Umleiterwege fahren. Der Nahverkehr, wenn es ein kleineres Eisenbahnverkehrsunternehmen ist, der verliert vielleicht einen großen Teil seines Umsatzes während dieser Zeit und hat vielleicht Schwierigkeiten, seine Leute einzusetzen. Also fünf Monate ist schon ein langer Zeitraum. Auf der anderen Seite sehen wir keine Alternative, eben aufgrund des Rückstaus.

Gerd Matschke: Ich habe es eingangs erwähnt, müssen wir da schnell vorankommen, müssen den Teufelskreislauf durchbrechen, wenn wir es nicht tun, unsere Anlagen werden jeden Tag, jede Woche ein Stückchen älter und das ist dann wieder eben ein Stückchen, ein Klötzchen, was wir aus dem Turm rausziehen. Das muss aufhören, und zwar so schnell wie möglich. Also insofern schon Anspannung, dass wir es gut hinkriegen, auch Anspannung, dass wir es so verträglich wie möglich gestalten können. Wir sind da in engem Dialog mit der Branche, mit den EVUs, auch mit den Verbänden, um zu erklären, was wir da machen, warum wir es machen, warum das so wichtig ist und dort den Konsens herzustellen, ist schon ganz, ganz wichtig. Und es ist insofern viel Arbeit, viel Anspruch, auch der an uns gerichtet wird, das gut hinzukriegen. Und insofern ja, nervös jetzt nicht, aber ja schon sehr, sehr gespannt auf das, was da vor uns liegt.

Theresa Wiesmeier: Wir bleiben zuversichtlich. Ja. Matschke Ich hätte noch drei Begriffe für Sie. Sie dürfen mir erzählen, was Ihnen dazu einfällt. Erste Begriff: Bahn Bashing.

Gerd Matschke: Bahn Bashing ist manchmal recht populär und im Bekanntenkreis wird man auch oft angesprochen. Wir bei der Bahn, wir streiken. Da sage ich, nein, wir streiken nicht. Die GDL streikt. Es ist ein kleiner Unterschied. In Wirklichkeit mögen die Leute die Bahn schon, sonst würde der Zuspruch nicht so groß. Insofern sind ein paar Lautsprecher, die uns wirklich bashen und die uns nicht leiden können, Gott sei Dank nur wenige. Und klar, ich mein, wenn man so im Mittelpunkt der Öffentlichkeit steht und wenn man so relevant ist auch, dass jeden Tag die Leute zu Arbeit kommen, dass die Güter dorthin kommen, wo sie hin sollen, Das ist kein Wunder, dass man dann kritisch beäugt wird und auch sich kritisch auseinandersetzen muss mit den Dingen. Also von daher: volles Verständnis der Kritik müssen wir uns aussetzen, müssen daran arbeiten, dass es besser machen und insofern, da wohlmeinende Kritik immer gern, fieses Bashing braucht man es nicht unbedingt.

Theresa Wiesmeier: Bringt auch nichts. Wir versuchen es ja, besser zu machen. Zweite Begriff wäre Stellwerksstörung.

Gerd Matschke: Vom vor ein paar Minuten glaube ich, habe ich gesagt, wie alt die Mehrzahl unserer Stellwerke immer noch sind, ist tatsächlich eines der Hauptstörungsverursacher. Die Stellwerkstechnik ist teilweise so alt, dass es keine Ersatzteile mehr gibt, also nicht mehr vom Hersteller. Wir müssen die in unser eigenes Aufarbeitungswerk einschicken, aus alten Teilen dann die wieder irgendwie aufmöbeln. Teilweise gibt es die Komponenten nicht mehr. Uralte Kondensatoren aus den 50er, 60er Jahren, die findet man heute nicht mehr. Also die alte Technik am Leben zu erhalten, das ist eine irrsinnige Herausforderung für die Instandhaltung. Es gibt mehrere Dutzend Techniken und die muss ein Instandhalter, wenn nachts um drei ausgerufen wird, muss der die im Schlaf beherrschen und muss das Stellwerk entstören.

Gerd Matschke: Egal ob es ein ganz modernes ist, eines aus den 60er Jahren oder aus der tatsächlich Jahrhundertwende. Mechanische Stellwerke haben wir nämlich auch noch, wo Hebel gezogen werden, das muss der alles draufhaben. Also eine Riesenherausforderung. Ein großes Problem tatsächlich, was oft gestört ist aufgrund der ganz, ganz alten Technik und deshalb total wichtig, dass wir da vorankommen mit der digitalen Schiene. Deutschland, so heißt das Programm, was aufgesetzt wird und die Stellwerkstechnik, die alte, durch neue zu ersetzen. Heute geht ein wichtiger Meilenstein in Erfüllung, nämlich in Mertingen-Meitingen wird ein digitales Stellwerk geöffnet und neu in Betrieb genommen und mit richtiger Digitaltechnik drin. Und ein ganz wichtiger Meilenstein den wir heute erreichen. Es geht voran. Aber auch das braucht natürlich Zeit. Die vielen, vielen Hundert Stellwerke zu erneuern, die wir haben.

Theresa Wiesmeier: Jetzt waren sie mir etwas voraus. Dritte Begriff ist die Digitale Schiene. Können Sie vielleicht noch ein bisschen mehr darauf eingehen, was das genau meint?

Gerd Matschke: Digitale Schiene ist die allerneueste Stellwerksgeneration. Die ist im Wesentlichen die Weiterentwicklung von elektronischen Stellwerken, die wir haben. Das heißt, man muss kein Hebel mehr umlegen wie beim mechanischen Stellwerk, um eine Weiche oder ein Signal zu stellen, oder drückt nicht mehr auf Tasten wie beim Relais-Stellwerk, um eben die Signale entsprechend so zu bedienen, wie man das möchte. Sondern der Bediener sitzt vor dem Computerbildschirm und steuert es mit der Maus. Also alles Rechner gestützt und digital ist es jetzt deshalb, weil sich die Architektur von diesen Stellwerken sehr stark geändert hat. Übertragen werden, vereinfacht gesagt, die Signale vom Rechnerkern an die Weichen, an die Signale raus und die Bahnübergänge über Internet-Protokoll mehr oder weniger. Also eine völlig neue Technologie, die es aber ermöglicht, auch über sehr weite Entfernungen beispielsweise das zu stellen. Wenn Sie sich vorstellen, Sie müssen da einen Hebel drücken, das geht nur vielleicht 500, 800 Meter, dann ist der Widerstand zu groß und Sie haben die Kraft nicht mehr das zu tun. Oder auch der Stellbereich von einem elektronischen Stellwerk heute ist nicht so groß. Und eben über dieses neue Prinzip gibt es völlig neue Möglichkeiten, auch den Betrieb zu organisieren. Und da die Schnittstellen zwischen den Stellwerken und zwischen den Elementen standardisiert sein werden, ist es natürlich auch für die Instandhalter ein großes Plus. Ein großer Vorteil, da nicht mehr zehn, fünfzehn verschiedene Techniken drauf zu haben, sondern in Zukunft dann nur noch eine. Das macht es dann viel, viel, viel, viel leichter.

Theresa Wiesmeier: Das hoffen wir. Vielen Dank, Herr Matschke, dass wir bei Ihnen sein durften und für Ihre tollen Antworten.

Gerd Matschke: Hat Spaß gemacht.

Andrea Morgenstern: Ganz lieben Dank für die Insights. Bis zum nächsten Mal.

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