Viele für eine? – Ingenieurinnen und Ingenieure für Ulm-Augsburg
Shownotes
Was der Kriterienkatalog ist und wie er funktioniert hat uns Dr. Stephan Tischler erklärt, der das Trassenauswahlverfahren für Ulm–Augsburg verantwortet.
Darüber, was verschiedene Bürgerinitiativen von den Planungen der Bahn halten, gibt es in der Folge "Wer laut ist, hat Recht? – Bürgerinitiative Bahnausbau 2.1" mit Christian Werner sowie in der Folge "Hier, dort oder gar nicht? – Bürgerinitiative Limbach" mit Thomas Schilling zu hören.
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Intro: Entsprechende Konflikte dann sehr früh evaluieren kann... Dann passt das einfach an der Stelle nicht zusammen... Das kann man dann einfach früh ausschließen, dass es zu solchen Konflikten kommt.
Theresa Wiesmeier: Wir bezeichnen uns immer als das Planungsteam. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn wir arbeiten mit mehreren Ingenieurbüros zusammen. In einem dieser Büros arbeitet Martin Kastner von der Firma SWECO GmbH. Martin Kastner kennt das Projekt mit am besten. Er war schon dabei, als erst ein paar dicke, bunte Linien Ulm mit Augsburg verbunden haben. Hallo Herr Kastner. Herr Kastner, Ihre Abteilung sitzt in Frankfurt. Wie kommen Sie dazu, eine Strecke in Süddeutschland zu planen?
Martin Kaster: Ja, wir planen sehr viele große Projekte. Und davon gibt es einfach in Deutschland auch nicht so viele. Und ich bin in unserem Büro quasi als dort als Ressortleiter tätig, habe 30 Mitarbeiter und unser Bereich ist dort der gesamte Bereich Süddeutschland. Und da fällt der Augsburger Teil auch darunter. Und dementsprechend haben wir uns damals auch beworben, weil gerade dieses Projekt uns sehr gereizt hat, weil das eigentlich auch ein gutes Nachfolgeprojekt ist für andere Projekte. Das war der eine Aspekt. Und der zweite Aspekt, was wir als besonders reizvoll auch fanden, ist, dass es einfach ein BIM-Projekt ist. Und dementsprechend haben wir dann uns entsprechend beworben und sind sowohl bei dem sage ich mal Vorab-Projekt, wo es ja um die Trassierung ging, als auch jetzt bei dem für die Leistungsphase eins und zwei, also die Vorplanung, dann entsprechend zum Zuge gekommen. Und da sind wir auch alle sehr dankbar dafür. Es macht aber bei uns in der Firma nicht nur das Frankfurter Büro, sondern auch das Münchner und Augsburger Büro. Die sind also auch beteiligt. Also es müssen nicht alle ewig weit fahren, sondern manche sind auch vor Ort. Insofern verteilt sich das eigentlich hier über den süddeutschen Raum.
Theresa Wiesmeier: Und die anderen Büros aus München und Augsburg helfen wahrscheinlich auch, damit sie mehr Kenntnisse über die Region bekommen. Oder woher bekommen Sie die Kenntnisse?
Martin Kaster: Die Kenntnisse aus der Region? Die eignet man sich eigentlich sehr schnell an, weil man auch entsprechende Erfahrungen in solchen Großprojekte hat. Also das ist eigentlich nicht zwingende Voraussetzung, dass man sich dann dort unten auch schon aufgehalten hat oder die Strecke kennt, weil sobald man - ich meine, wir haben hier ein Projekt, das geht über 70 Kilometer Luftlinie. Und wenn Sie aus einem Radius von 15 Kilometer rauskommen, ja, 5 bis 10 Kilometer, dann sind Sie ja sofort in der Situation, wo sie sich schon nicht mehr so gut auskennen. Insofern muss man sich das Wissen an der Stelle dann auch entsprechend aneignen. Was ich hier vielleicht noch ergänzt sagen kann, dass wir ja nicht alleine als Büro SWECO hier tätig sind, sondern innerhalb einer Ingenieursgemeinschaft, ist ja das Büro Schüßler Plan einerseits als auch das Büro SSF und mit denen arbeiten wir zusammen. Und weil es eben so ein großes Projekt ist, mit vier Trassen, die dort zu planen sind, wenn man das mal addiert, dann sind das ja 300 bis 320 Kilometer. Und das ist natürlich eine Größenordnung, wo es Sinn macht, sowohl für uns, um die Arbeit besser verteilen zu können, als auch für Sie, dass Sie sicher sein können, auf entsprechende Planungsbüros dann in der Summe auch zugreifen zu können.
Andrea Morgenstern: Herr Kastner, Sie sind einer unserer Generalplaner. Was heißt denn Generalplanung eigentlich?
Martin Kaster: Ja, es gibt einerseits die Fachplaner, das sind quasi Fachplaner für Verkehrsanlagen, also Objektplanung Verkehrsanlagen. Und es gibt Fachplaner, die sind für Ingenieurbauwerke und es gibt Fachplaner Umwelt, Geologie und so weiter und so fort. Also das ganze Spektrum sozusagen. Und wenn man als Auftraggeber nicht jeden Einzelnen beauftragen möchte, dann nimmt man sich einen Generalplaner, der das dann entsprechend abdeckt. Das ist die eine Möglichkeit beziehungsweise der Generalplaner hat dann die Möglichkeit, auch entsprechend Subunternehmer hinzuzuziehen.
Andrea Morgenstern: Ein Bahnprojekt ist in erster Linie ein technisches Projekt. Technik bedeutet, funktioniert oder funktioniert nicht. Beispiel eine Brücke hält oder sie hält eben nicht. Sind Sie und die DB-Ingenieurinnen und -Ingenieure sich also immer einig?
Martin Kaster: Was die Technik angeht, ist man sich oft einig. Was, weil es ja doch ein sehr objektives Kriterium ist. Was natürlich unsere Aufgabe an der Stelle ist, für technische Lösungen die Unterschiede auch herauszuarbeiten, damit dann der Auftraggeber quasi ihr Haus dann auch entsprechend entscheiden kann auf dieser Basis, welches denn jetzt die beste Variante ist. Weil es gibt natürlich immer auch bei so einem objektiven Kriterium wie Technik gibt es bei der einen Lösung vielleicht Unterschiede zu der anderen Lösung und die können dann vielleicht auch in weicheren Bereichen liegen, zum Beispiel gerade bei der Objektplanung Verkehrsanlagen, wo die Strecke dann letztendlich langgeht. Ja, das heißt, da gibt es große Unterschiede und da kommen dann auch die anderen Kriterien ins Spiel, wie beispielsweise Umweltplanung natürlich, das ja auch das Schutzgut Mensch mit einschließt oder auch geologische Probleme oder Geologie in der, sage ich mal in dem in dem Planungsraum, die dann unterschiedlich ist und das sind halt, sage ich mal, Kriterien, die dann letztlich dazu führen, dass man das dann entsprechend so aufbereiten muss, dass letztlich eine gute Entscheidungsgrundlage geschaffen ist.
Theresa Wiesmeier: Sie sind Ingenieur und kümmern sich um die technischen Belange. Interessieren Sie sich für die gesellschaftlichen und politischen Debatten, die in der Region geführt werden?
Martin Kaster: Ja, das interessiert mich sehr, weil ich kenne das auch aus anderen Projekten, wo ich auch beteiligt war, in entsprechenden Projektbeiratsgremien auf Bundesebene. Das ging bis auf Bundesebene quasi, wo man dann auch auf der politischen Ebene dann mitdiskutiert und dann auch als Gutachter letztendlich dazu gezogen wird, um das Ganze dann auch von der technischen Seite auch entsprechend zu begleiten.
Theresa Wiesmeier: Jetzt haten Sie anfangs auch schon angesprochen die BIM-Methode. In unserem Projekt arbeiten wir damit. Wir hatten in einer früheren Folge mit unserem Kollegen Armin Koubaa - auch gerne zum Nachhören - schon über diese ganzheitliche Arbeitsmethode gesprochen, bei der man, wie man sagt, zuerst digital und dann real baut. Inwieweit hilft Ihnen BIM schon bei der Planung von Ulm-Augsburg.
Martin Kaster: Also insbesondere gegenüber der konventionellen Planung hilft es uns diesbezüglich, dass auch durch die entsprechenden Planungsprozesse, die ja bei der BIM-Methodik quasi angewandt werden, dass man bei diesen Planungsprozessen ständig auch eine Kontrolle hat, wenn man die entsprechenden Fachmodelle der einzelnen Gewerke - Gewerke ist jetzt zum Beispiel die Brücke einerseits oder eben die Verkehrsanlage, sprich die Schiene andererseits - zusammenführt, das man dort entsprechende Konflikte dann sehr früh evaluieren kann und wenn man die herausbekommen hat, kann man seine Planung sehr früh fehlerfrei gestalten, weil man eben dort das gesamthafte Planungsmodell dann zusammengeführt hat und die Werkzeuge, die einem zur Verfügung stehen, es auch ermöglichen, das dann exakt abprüfen zu lassen.
Theresa Wiesmeier: Hätten Sie dafür vielleicht ein Beispiel?
Martin Kaster: Ja klar. Also wenn jetzt zum Beispiel eine querende Leitung unter einer Eisenbahnstrecke habe und die steht genau in dem Bereich, wo ich einen Überleitungsmast stehen habe, dann passt das einfach an der Stelle nicht zusammen. Oberleitungsmasten hat man alle 80 Meter, aber es kommt immer wieder vor, dass obwohl es sehr unwahrscheinlich ist, diesen Ober leitungsmasten zu treffen, kommt es dann doch mal vor. Un das ist so ein typisches Beispiel, wo man dann letztendlich sagen muss, das kann man dann einfach früh ausschließen, dass es zu solchen Konflikten kommt.
Andrea Morgenstern: Wir stecken aktuell im Trassenauswahlverfahren. Dazu haben wir auch schon mal eine Folge aufgenommen mit dem Dr. Stefan Tischler von der Uni Innsbruck, wdas nachhören möchte. Sie sind einer der Experten, die unsere vier Varianten anhand des Kriterienkatalog stechnisch bewerten. Wie muss man sich das vorstellen?
Martin Kaster: Ja gut, in dem Fall ist es so, dass unserem ersten Auftrag ja wir vier Trassen Varianten hatten oder Trassen. Ja, und diese vier Trassen sind dann ja in dieses Trassenauswahlverfahren eingeflossen und dann muss man sich das so vorstellen. Wenn ich jetzt diese, wenn ich diese vier Trassen entwickelt habe, dann muss ich mich ja für eine entscheiden und dazu muss ich diese Trassen entsprechend vergleichen. Und dieser Vergleich, der findet dann im Trassenauswahlverfahren in verschiedenen Stufen statt. Einer der Bereiche ist halt der technische Bereich, der zu vergleichen ist. Der andere Bereich ist der Umweltbereich und der dritte ist der wirtschaftliche Bereich. Das sind eigentlich so grob die Bereiche, die im Trassenauswahlverfahren da behandelt werden. Und da ist es so, dass in dem technischen Bereich man zum Beispiel guckt, es gibt da verschiedene Kriterien. Das eine Kriterium ist beispielsweise, wie stellt sich das Ganze fahrdynamisch dar, wie lange brauchen die Züge, um über diese Trasse zu fahren? Ist das unterschiedlich? Das ist zum Beispiel einer der Kriterien. Ein weiterer Aspekt ist, dass man beispielsweise sich die Baufelder anguckt: Wie ist die Erreichbarkeit, welche Situation habe ich von der Logistik her? Was habe ich für Möglichkeiten, quasi die Baustelle zu erreichen, ohne dass ich durch Ortschaften fahre? In der Richtung? Sind dann die verschiedenen Kriterien aufzustellen und werden dann auch entsprechend betrachtet und miteinander verglichen.
Theresa Wiesmeier: Kann man sich das so vorstellen: Man hat eben die Kriterien, geht eins nach dem anderen durch, geht eine nach der anderen Variante durch und schreibt dann jeweils ein kleines Resümee oder wie kann ich mir das ganz konkret vorstellen?
Martin Kaster: Ja, es gibt da theoretisch unterschiedliche Möglichkeiten, dann eine Bewertung vorzunehmen. Und in dem Fall ist es so, dass man dort, sage ich mal, sagt, das ist ein Kriterium, wo man dann für ein Kriterium festlegt, wie die Trassen einfach abschneiden. Und das ist ein fünfstufiger, gegliederter Kriteriumkatalog, der dann letztendlich so ausgewertet wird, dass man sagt, man hat dann eine bestimmte Punktzahl für eine Variante und die fließen dann quasi in so eine entsprechende Matrix ein. Und innerhalb dieser Matrix wird das Ganze dann auch nochmal entsprechend gewichtet. Ob jetzt von der Ausprägung her dieses dieses Kriterium zum Beispiel das mit den mit den Fahrzeiten, hat das überhaupt eine hohe Ausprägung? Gibt es da große Unterschiede oder stelle ich gerade Unterschiede da, die gar nicht so wichtig sind und dazu dient eben die entsprechende Gewichtung der Kriterien dann.
Andrea Morgenstern: Im Oktober 2023 hat unser planungsbegleitende Gremium, das Dialogforum, den eben besagten Kriterienkatalog im Fachbereich Raum und Umwelt gewichtet. Dabei gab es durchaus Diskussionen unter den Teilnehmenden. Sie haben den anderen Fachbereich Verkehr und Technik gewichtet. Gab es dabei auch Diskussionen oder waren Sie sich intern immer einig, immer einer Meinung?
Martin Kaster: Ja, also bei der Bearbeitung ist es natürlich so, dass nicht alle Kriterien objektiv sind, sondern zum Teil auch subjektiv. Beispielsweise ist das jetzt so dramatisch, dass ich jetzt quasi auf einer Umgehungsstraße an einem Ort vorbeikomme oder eben noch dichter bei einer anderen Variante. Und da gibt es dann natürlich schon entsprechende Diskussionen, dass man dann auch abwägen muss, zu welchem Ergebnis man dann an der Stelle kommt. Und ganz wichtig ist, dass man das dann belastbar begründet. Ja, diese Belastbarkeit, die ist wichtig, weil es ist ja nicht mit dem Trassenauswahlverfahren getan, sondern das dient dann ja auch später, das was dort quasi belastbar festgelegt worden ist, für die weiteren Planungsphase und dann das jetzt beispielsweise im Planfeststellungsverfahren auf dieser Basis dann die entsprechende Trasse dann auch planfestgestellt werden kann. Aber so weit sind wir jetzt hier noch nicht mit dem Planfeststellungsverfahren. Aber das ist ja letztendlich dient das ja alles dazu, auch eine, sage ich mal, den vorbereitenden Charakter, damit man letztendlich mit der richtigen Trasse in das Planfeststellungsverfahren oder in die Planfeststellungsverfahren - es werden ja mehrere sein - dann entsprechend reingeht.
Theresa Wiesmeier: Ja, ich mache mal einen Sprung in die Zukunft. Es heißt immer, wenn die Baumaschinen mal starten, dann geht es ganz schnell. Bis es soweit ist, dauert es aber ziemlich lange. Warum ist das so?
Martin Kaster: Ja, gute Frage. Da gibt es auch schöne Bildchen, dass das ja alles in Frankreich viel schneller gehen würde. Das liegt schon ein bisschen auch an dem Planungsprozedere in Deutschland, was auch dazu dient, die Bürger auch mit zu beteiligen. Und dieser Beteiligungsprozess, der kostet auch viel Zeit - zu Recht viel Zeit - und dementsprechend hat man dort beispielsweise einen Zwangspunkt, warum es im Planfeststellung und im Planfeststellungsverfahren lange dauert. Um aber diese Zeit zu verkürzen im Planfeststellungsverfahren, darum macht man ja genau das, was Sie eben auch angesprochen haben, nämlich das Dialogforum, nämlich, dass man die Bürger frühzeitig einbindet. Das soll ja letztendlich dazu führen, dass die Planungsprozesse in der Summe verkürzt werden, wenn auch diese quasi dieser Prozess, der am Anfang steht, vielleicht ein bisschen länger dauert.
Andrea Morgenstern: Ja, eine unserer Planungsvorgaben ist eine maximale Steigung von acht Promille oder anders gesagt 0,8 %. Das sind 8 Meter Höhenunterschied auf 1000 Meter Strecke. Macht das Ihre Arbeit leichter oder komplizierter?
Martin Kaster: Na ja, ich sage mal, so der Spielraum, den Sie haben, um so eine Trasse festzulegen, der ist natürlich deutlich stärker eingeschränkt. Dadurch haben Sie weniger Spielraum in der Trassenfindung, was es einerseits komplizierter macht, aber vielleicht auch andererseits einfacher, weil man eben dann einfach so starke Restriktionen hat, dass man eigentlich relativ wenig, sage ich oder es schwierig ist, gerade kleinräumig Veränderungen vorzunehmen. Und wir haben ja hier auch bei Ulm-Augsburg eine Strecke von der Topografie her führt jetzt gerade im Bereich, sage ich mal der näher an Augsburg liegt, hat man die Situation, dass man dann dadurch natürlich auch relativ viele Tunnel hat, schon aus topographischen Gründen. Es gibt ja auch Tunnel, die man aus anderen Gründen baut, jetzt beispielsweise Umweltgründen. Aber hier ist es so, dass es natürlich aus topografischen Gründen dann in dem quasi östlichen Bereich der Neubaustrecke Augsburg-Ulm dann zu entsprechenden Tunnelbau Bauwerken in größerem Umfang kommt, als wenn ich jetzt maximal, sage ich mal - es ist üblich 40 Promille - dort 40 Promille anwenden würde, wie das jetzt zum Beispiel bei der Neubaustrecke Köln-Frankfurt ist, wo man der Topografie dann natürlich viel leichter folgen kann, als es bei acht Promille der Fall ist. Aber die acht Promille resultieren einfach darau, dass man beim Güterverkehr oder dass der Güterverkehr ja eben auch diese Strecke benutzen soll und damit die Ortschaften auf der Bestandstrecke auch entsprechend entlastet. Das ist ja auch ein ganz wichtiger Aspekt die Entlastung der Bestandstrecke, die Entlastung der Ortschaften und wo die, wo ja die ganze Trasse quasi durch die Ortschaften geht, dass man die entsprechend auch vom Güterverkehr entlasten kann und dort dann auch ein verstärktes Nahverkehrsangebot drauf bringt.
Theresa Wiesmeier: Jetzt mal eine Frage, die etwas weniger projektbezogen ist und mehr, um so einen Einblick in Ihren Alltag zu bekommen: Was ist Ihr wichtigstes Werkzeug für Ihre tägliche Arbeit?
Martin Kaster: Wir planen hier linienförmige Bauwerke, das heißt, die sind sehr lang gestreckt, um da den Überblick zu halten, bin ich also noch ein bisschen oldschoolmäßig unterwegs und ich habe gern immer noch mal trotz aller Digitalisierung immer noch gerne mal einen Plan vor mir, wo ich das von links nach rechts sehen kann und auch den ganzen Überblick habe. Hab quasi in der entsprechenden lesbaren Form, den ich sonst vielleicht am Bildschirm einfach nicht hätte. Das ist vielleicht eine Eigenheit von mir an der Stelle ja.
Theresa Wiesmeier: Wenn wir mit den Menschen in der Region sprechen, dann hören wir oft Aussagen wie: Warum haltet ihr nicht einfach mehr Abstand zu den Häusern? Oder: Warum umfährt ihr dieses Waldstück nicht einfach? Herr Kastner, warum eigentlich?
Martin Kaster: Eine Trasse wird natürlich entsprechend optimiert, das man weit weg von Bebauung kommt und dass man möglichst auch wenige Eingriffe in die Umwelt oder Natur hat. Letztendlich ist es aber so, dass man natürlich immer die Situation auch hat, wenn ich ein neues Infrastrukturprojekt habe, was neu realisiert werden soll, dann wird es auch mit dem entsprechenden Flächenverbrauch einhergehen und auch entsprechende Auswirkungen auf die unmittelbare Nachbarschaft in irgendeinem Umfang haben. Da kann man sich, glaube ich, drehen und wenden wie man will. Ja, das ist so, was wir natürlich als Aufgabe haben, ist, das zu minimieren, diese Eingriffe. Und dieser Minimierungsprozess ist auch ein ganz wichtige Abwägungsbelange, dass letztendlich im Planfeststellungsverfahren, wo man dann ja darlegt, dass man das entsprechend minimiert hat. Und damit man überhaupt da hinkommt, hat man ja jetzt beispielsweise auch - unser erster Auftrag war ja, diese Trassen zu finden und dort war es eben auch so, dass es dann natürlich eine Raumwiderstandskarte gibt. Was ist das? Eine Raumwiderstandskarte? Das ist eine Karte von Ulm nach Augsburg, wo die Flächen unterschiedlich gekennzeichnet sind in der Abhängigkeit ihrer Sensibilität. Und da sucht man natürlich dann nach Trassenkorridoren, die Bereiche dann aus, die letztendlich nicht so sensibel sind hinsichtlich Umweltbelange, hinsichtlich des Menschen und Siedlung, Bebauung et cetera.
Andrea Morgenstern: Wer sich diese Raumwiderstandskarte noch mal anschauen möchte, kann auf unsere Projektwebsite gehen. Da haben wir in der interaktiven Karte die nämlich auch nach wie vor zu sehen. Wenn wir dann im Laufe des Jahres eine Vorzugsvariante haben, ist die Planung dann fertig? Sprich kann der Bagger dann kommen?
Martin Kaster: Das wäre schön, wenn es so wäre. Das wird nämlich die Frage von eben dahingehend beantworten, dass heutzutage alles viel schneller geht. Aber danach schließt sich nach der Vorzugsvariante gibt es dann halt auch dafür für diese Vorzugsvariante eine abgeschlossene Leistungsphase zwei, dass sie sozusagen die Vorplanung und wie der Begriff Vorplanung schon sagt, kommt danach dann die Entwurfsplanung, da wird das dann konkretisiert, detailliert etc. Vielleicht noch ganz kleinräumige Anpassungen an der Trasse vorgenommen. Und wenn man dann die Entwurfsplanung gemacht hat, dann hat man quasi die Basis dafür geschaffen, dann auch die Planfeststellungs-, die Genehmigungsunterlagen zu schaffen. Und das heißt, dann geht man mit dieser detaillierteren Planung, die jetzt quasi durch die durch den Entwurf, durch den sogenannten Entwurf dann entsprechend erarbeitet worden ist, in das Planfeststellungsverfahren und erlangt dann den entsprechenden Planfeststellungsbeschluss. Wenn man den dann hat, dann ist es meistens so, dass man noch Änderungen mit aufnehmen muss, die nämlich von der Genehmigungsbehörde jetzt im Vorhabenträger, sprich in dem Fall der Bahn, dann quasi auferlegt werden, weil wir haben ja im Planfeststellungsverfahren die Situation, dass dort auch die Möglichkeit besteht und auch stark wahrgenommen wird, dass die ganzen Träger öffentlicher Belange, das sind die Kommunen, das sind die Umweltverbände, das sind die Wasserverbände, die Umweltschutzverbände etc. dort entsprechend ihre Belange auch noch mal vortragen können und dass die dann auch noch mal abschließend und in die Planung einfließen lassen können. Und wenn dann das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist, dann hat man das Baurecht geschaffen, muss dann aber noch die Ausführungsplanung machen, die Ausschreibung, aber dann ist der Weg nicht mehr so weit bis zum Bauen. Ein ganz wichtiger Meilenstein ist dieser Planfeststellungsbeschluss.
Theresa Wiesmeier: Von den Leistungsphasen gibt es insgesamt neun, und es betrifft jetzt auch nicht nur die Bahn. Es geht um alle Infrastrukturprojekte in Deutschland. Die müssen diese Phasen durchlaufen, richtig?
Martin Kaster: Ja, alle großen Projekte müssen natürlich ein Planfeststellungsverfahren durchlaufen. Ganz kleine Maßnahmen haben dann ein Plangenehmigungsverfahren, ein sogenanntes. Die Möglichkeit gibt es auch. Aber das ist jetzt hier bei dem Vorhaben kein Thema.
Theresa Wiesmeier: Das heißt, die Generalplaner begleiten uns auf jeden Fall noch eine Weile.
Martin Kaster: Ja, so ist es.
Theresa Wiesmeier: Sie sind Auftragnehmer der Deutschen Bahn. Wie viel Freiraum haben Sie?
Martin Kaster: Es ist schon so, dass als Ingenieurbüro hat man ja eine beratende Funktion auch. Und die Entscheidungen werden dann aber aufgrund unserer Beratungstätigkeit getroffen und in unserer Beratungstätigkeit sind wir natürlich relativ frei. Aber wir treffen nicht selber die Entscheidungen. Und das engt natürlich den Spielraum jetzt bei uns ein. Ja, so würde ich es mal formulieren.
Theresa Wiesmeier: Sie sind seit 2021 an Bord. Entwickelt man da eine persönliche Bindung zu so einem Projekt?
Martin Kaster: Ja, selbstverständlich. Weil wenn Sie so diese Projekte hier, die wir hier betreiben und die meine Abteilung auch betreibt, unsere oder unser Büro betreibt oder die insgesamt die Ingenieurgemeinschaft, das sind sehr langlaufende Projekte und deshalb identifiziert man sich auch entsprechend mit den Projekten. Und insofern ist natürlich klar, dass gerade ein Projekt, was auch häufig in den Medien steht, das kann man sagen, da war ich dabei und da war ich dabei. Insofern identifiziert man sich schon sehr stark damit, mehr vielleicht, als wenn man ganz viele Kleine hat.
Theresa Wiesmeier: Herr Kastner, ich habe noch drei Begriffe für Sie. Sie dürfen mir erzählen, was Ihnen dazu einfällt, einfach kurz, was Ihnen so in den Kopf kommt. Erster Begriff ist Planungsbeschleunigung.
Martin Kaster: Ja, da habe ich es ja eben schon von gehabt, dass das natürlich ein Anliegen ist, die Verfahren dort schneller durchzuführen. Eins ist die, die Verfahren schneller durchzuführen, muss natürlich auch damit verbunden sein, dass man auch einen Abbau von Bürokratie hat. Das findet man vielleicht noch nicht überall, dass das so der Fall ist. Ich habe mal eine Planfeststellungsunterlage abgegeben, da hat mich dann die Genehmigungsbehörde gefragt: "Du hast doch schon mal diese Unterlage vor fünf Jahren oder acht Jahren abgegeben und da waren es nur neun Ordner und jetzt sind es 19, warum ist das so viel?" Und damals habe ich dann geantwortet Ja, wenn man noch mal fünf Jahre warten, dann sind es 15 oder noch mehr Ordner. Und ich glaube, den Weg müssen wir finden, dass wir eben nicht immer neue Regularien noch entwickeln, die das Ganze dann erschwert. Es gibt natürlich sinnvolle Änderungen in dem ganzen, sage ich mal in den Planungsprozess, wo man, wo es auch gerechtfertigt ist, dass es da und dort zu Änderungen kommt. Aber es darf halt nicht überreguliert sein und dem muss man, glaube ich, ein bisschen entgegenwirken. Auch auf der, sage ich mal auf der Ebene der Regelwerke. Sonst sind wir auch irgendwann in der Situation, dass wir ganz viele Regelwerke haben, die sich dann teilweise noch widersprechen. Und das ist, glaube ich, nicht förderlich.
Theresa Wiesmeier: Zu immer längeren Planungsdauern passt auch mein nächster Begriff: Fachkräftemangel.
Martin Kaster: Ja, das ist auch ein schönes Thema, weil Fachkräftemangel besteht bei uns im Bauingenieurwesensektor, insbesondere im Bereich Verkehrsanlagen. Und das kann man täglich erleben, dass wir eigentlich zu wenig Leute in unserer Branche tätig sind. Und deshalb ist es auch ganz wichtig, die Mitarbeiter zu halten, die man hat. Ja, weil sie finden nicht so schnell gute neue Mitarbeiter und dafür ist jedes Verständnis auch auf Auftraggeberseite auch gewachsen, weil da schon mehr Verständnis ist, dass wir unsere Mitarbeiter nicht mehr beliebig Überstunden machen lassen können. Das ist nämlich alle weg. Ja.
Theresa Wiesmeier: Der dritte Begriff ist Bogenradius.
Martin Kaster: Also Radius kennt man ja vielleicht. Das ist ja an sich schon Bogen. Das ist ja ein bisschen doppelt gemoppelt hier. Heißt halt bei der Bahn quasi der Radius, den ein Gleis beschreibt, wenn es im Bogen verläuft.
Theresa Wiesmeier: Sehr schöne Erklärung. Vielen Dank, Herr Kastner, dass Sie bei uns waren.
Martin Kaster: Hat mir Spaß gemacht. Danke auch
Theresa Wiesmeier: Bis zum nächsten Mal, Andrea.
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