Lang, schwer und immer mehr? – Güterverkehr auf der Schiene
Shownotes
Es gibt viele Aus- und Neubauprojekte in Deutschland. Viele davon sind nicht nur wichtig für den Personenverkehr, sondern auch für den Güterverkehr. Manche haben auch eine höhere Priorität als Ulm-Augsburg.
Über das Thema Deutschlandtakt sprechen wir in der Episode "Zugfahren wie in der Schweiz? – Der Deutschlandtakt" mit Dr. Christian Loos, dem Vorsitzenden des VCD Bayerns.
Den gegenwärtigen Zustand der Eisenbahninfrastruktur analysiert Gerd Matschke in der Folge "Früher war alles besser? – DB-Chef Infrastrukturprojekte Süd". Spoiler: es gibt viel aufzuholen.
Bei einem Bahnprojekt müssen viele technische Vorgaben eingehalten werden. Bauingenieur Martin Kastner von der Firma Sweco erklärt in der Folge "Viele für eine? – Ingenieurinnen und Ingenieure für Ulm-Augsburg", was es mit Längsneigung und Bogenradius auf sich hat.
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00:00:02: Intro: Ergo fahren da keine Güterzüge und werden auch keine Güterzüge fahren... die teilweise unter sehr menschenunwürdigen Umständen... In Portugal gibt es noch gar nicht so wahnsinnig viel Strom.
00:00:17: Theresa Wiesmeier: Die Strecke, die wir planen, muss güterverkehrstauglich sein. Das hat der Bund, unser Auftraggeber, so festgelegt. Konkret bedeutet das: maximal acht Promille Steigung sowie Überholbahnhöfe. So können auch bis zu 740 Meter lange und mehrere tausend Tonnen schwere Güterzüge die Strecke nutzen und außerdem von schnelleren Zügen überholt werden. Heute sprechen wir mit Peter Westenberger, dem Geschäftsführer vom Verband Die Güter bahnen. Hallo Herr Westenberger.
00:00:51: Peter Westenberger: Hallo Frau Wiesmeier.
00:00:52: Theresa Wiesmeier: Herr Westenberger, Sie vertreten einen Verband, in dem sich Güterzugunternehmen organisieren. Wie viele Güterverkehrsunternehmen gibt es denn in Deutschland?
00:01:03: Peter Westenberger: Ja, ganz schön viele. Also eine Lizenz, überhaupt Güterverkehr zu machen, haben über 300 Unternehmen. In der Praxis sind es aber deutlich weniger, die aktiv sind. Unser Verband hat etwas über 100 Mitglieder. Ich sage immer so relevant, so dass man sie in der Statistik messen kann, sind ungefähr 30 Güterbahnunternehmen, die heute Verkehr in Deutschland machen. Das ist ja erst seit 1994, seit der Liberalisierung des Bahnsektors, möglich. Und die, die nicht mehr oder die nicht zur DB gehören, machen heute ungefähr 60 Prozent des Marktanteils aus und die DB-Unternehmen 40 Prozent.
00:01:40: Theresa Wiesmeier: Genau diese Eisenbahnverkehrsunternehmen sind an sich dann die Kunden der Infrastruktursparte.
00:01:46: Peter Westenberger: Die DB Cargo ist auch Kunde bei der DB InfraGo. Wir werden dort an der Stelle ganz genau gleich behandelt. Hat es ja früher mal Diskussionen gegeben über einen erschwerten Netzzugang der privaten Wettbewerber. Das ist aber Vergangenheit. Also da haben wir die gleichen Ausgangsbedingungen. Da achten die Bundesnetzagentur und auch die EU-Kommission darauf. Und natürlich die DB InfraGo mittlerweile auch selbst.
00:02:11: Andrea Morgenstern: Es gibt einen Run auf die Schiene, sowohl beim Güterverkehr als auch beim Personenverkehr. Ist das für Sie als Verband jetzt eine gute oder eine schlechte Nachricht?
00:02:23: Peter Westenberger: Ich spreche mal im Interesse unserer Unternehmen. Die meisten von unseren Unternehmen wollen schon wachsen. Die wollen auch ihren Beitrag zu diesem gesellschaftspolitischen Ziel mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern und Klimaschutzbeitrag zu leisten, liefern. Deswegen sind sie nicht wie fast alle Unternehmen wachstumsorientiert, sondern so ganz spezifisch und setzen sich dann auch mit den Randbedingungen auseinander, die nicht so gut sind oder noch nicht geeignet sind und das zu bündeln und gegenüber der Politik und auch der Öffentlichkeit zu adressieren, das ist unsere Aufgabe als Verband.
00:02:58: Andrea Morgenstern: In unserem Projekt planen wir mit acht Promille maximaler Steigung, damit auch lange und schwere Güterzüge die Strecke nutzen können. Je flacher eine Strecke ist, desto mehr Brücken und Tunnel werden aber notwendig, weil wir eben Höhen und Tiefen ausgleichen müssen. Jetzt behaupten manche, mehr Steigung wäre auch okay, denn so viel Güterverkehr fahre ja gar nicht zwischen Ulm und Augsburg. Was meinen Sie, sollten wir mit größeren Steigungen planen?
00:03:29: Peter Westenberger: Also ganz grundsätzlich muss man sagen, dass die Art, wie man eine Eisenbahn betreibt, nämlich dass dort eine relativ geringe Reibung von Stahlrad auf Stahlschiene ist, eben bedeutet, dass sie nicht beliebig die Trasse, wie es beim Straßenverkehr fast der Fall ist, bauen können und dann alles dort fahren können. Züge, die anhalten, müssen auch bei nasser Schiene wieder sicher anfahren können beispielsweise. Und deswegen ist es für gerade schwere Züge absolut notwendig, dass bestimmte maximale Längsneigung, also Steigungen, nicht überschritten werden. Gilt übrigens auch beim Bergabfahren fürs Bremsen dann. Und wir sagen im Güterverkehr ist eigentlich jede Strecke möglichst mit nicht mehr als sechs Promille Steigung zu bauen, weil dahinter ein Bild liegt, dass wir mit einer Lokomotive und nicht mit zwei Lokomotiven, weil das sind doppelte Kosten vereinfacht gesagt auch leicht nachvollziehbar. Ansonsten mit Zügen, deren Gewicht sagen wir mal grosso modo bei 1800 Tonnen insgesamt liegt, bestimmte Strecken nicht mehr befahren können und damit ist die Wirtschaftlichkeit im Vergleich zum LKW - das ist ja der Hauptwettbewerber für die Unternehmen - dann nicht mehr gegeben. Und deswegen ist es absolut wichtig, da auf die Längsneigung zu achten. Das ist in der Vergangenheit in Deutschland oft nicht geschehen bei Neubauprojekten, so zum Beispiel auch bei der Strecke zwischen Wendlingen oder Stuttgart und Ulm. Die ist viel zu steil für ganz normale Güterzüge. Dort könnten allenfalls ganz, ganz leichte Güterzüge fahren, die aber nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Ergo fahren da keine Güterzüge und werden auch keine Güterzüge fahren. Das ist insofern eine gute Nachricht. Allerdings gehe ich mal davon aus, dass bei Ihnen die Trassierungsparameter, wie man das nennt, auch durch die hohe Geschwindigkeit, die für im Fernverkehr gefahren werden soll, bestimmt wird. Da geht es aber dann eben nicht um die Längsneigung. Da sind die Personenzüge ja deutlich stärker, weil auch viel leichter, sondern da geht es um die Kurvenradien und alles zusammen bedingt dann eben, dass man bei solchen Strecken, wie sie dort geplant werden, in bewegtem Gelände entweder sehr hohe Landschaftseingriffe verkraften muss oder sehr viel unter der Erde bauen muss, was extrem viel Geld kostet, den Energieverbrauch erhöht, wegen des hohen Luftwiderstands und auch viel viel länger dauert. Also da gibt es ja aus der Perspektive der Eisenbahnverkehrsunternehmen mehrere Zielkonflikte, die die Infrastruktur beim Bau da austragen muss.
00:05:57: Theresa Wiesmeier: Das hatten sie schon angesprochenen den Straßenverkehr. Güter kann man sowohl auf der Straße, im LKW als auch auf der Schiene mit einem Güterzug transportieren. Wann ist ein Güterzug einem LKW überlegen?
00:06:12: Peter Westenberger: Na ja, ganz pauschal kann man vielleicht zwei Dinge sagen: Wenn es um sehr schwere Güter geht ist bei einer Eisenbahn und hohe Mengen, dann ist eine Eisenbahn selbst auf kurze Entfernung meistens das bessere Mittel. Wenn nicht gerade jetzt bei ganz kurzen Entfernungen Förderbänder zum Beispiel zum Tragen kommen oder sie ein Kanalanschluss haben und das Binnenschiff in Frage kommt. Und ansonsten kann man sagen, bei hohen Mengen steigt die der Anteil der Schiene, weil wirtschaftlicher als der LKW mit der Entfernung. Wir haben den durchschnittlichen Marktanteil, den die Schiene im Vergleich zum LKW hat - der liegt bei ungefähr 20 zu 80 % oder zu 70 %, also 20 Schiene 70 Straße - bei einer Durchschnittsentfernung von 300 Kilometern. Oberhalb dieser 300 Kilometer Transportentfernung steigt der Anteil der Schiene im Verkehrsmarkt sehr stark an, unten drunter nimmt er bis auf diese Ausnahmefälle zum Beispiel wenn Sie, sage ich jetzt mal Kalkstein in Zementwerk transportieren, meistens kurze Wege. Trotzdem ist die Schiene da das Mittel der Wahl. Aber da ist ansonsten das die Domäne des LKW, also die kurzen Wege und die Verteilwege. Na ja, Güterzug ist ja vor allen Dingen sehr energieeffizient. Das ist eben durch diese Paarung Stahl auf Stahl, also Rad auf Schiene, geringerer Rollreibungswiderstand, dann ist alles schön hintereinander und auch dicht hintereinander, sodass Sie also nur einmal den Luftwiderstand - selbst der spielt beim Zug eine Rolle - vorne haben und nicht hinter jedem einzelnen 18 Meter langen LKW neu den Luftwiderstand aufbauen. Wir brauchen für den Betrieb ziemlich wenig Personal. Natürlich nicht nur Lokführerin, Lokführer, sondern auch noch Leute in den Leitstellen. Also der Zugverkehr wird ja stark von der Infrastruktur gesteuert und nicht von den Triebfahrzeugführerin. Von denen schon auch. Also wir sind mit dem Güterzug wesentlich effizienter, da die Transporte zu bewältigen. Und auf einen so bisschen wenig beachteten Aspekt würde ich gerne noch mal zu sprechen kommen. Wir reden ja die ganze Zeit davon, dass der LKW auch mal elektrifiziert werden soll und dann diese LKWs mit erneuerbaren Energien betrieben werden, also sprich CO2 frei. Ich mache es jetzt mal kurz und dann sagen manche Leute ja, dann hat ja der wesentliche Umweltvorteil der Schiene ausgedient. Das sehe ich überhaupt nicht so, die Energieeffizienz, das heißt also der Energieverbrauch, den ich für die Verkehrsleistung brauche, unabhängig davon, welche Energieträger benutzt wird, ist bei der Schiene immer um den Faktor eins zu vier niedriger als beim LKW, weil der LKW eben Luftwiderstand, Rollreibungswiderstand systematisch schlechter aufgestellt ist und wenn ich mit der Schiene transportiere, spare ich auch in einer komplett erneuerbaren Energiewelt wesentlich an Energie ein. Und das kann ich auch umgekehrt in einem Bedarf an PV-Anlagen oder Windkraftanlagen ausdrücken, die ich mehr bauen müsste, wenn ich den ganzen Güterverkehr, der auf der Schiene transportiert wird, mit dem LKW fahren müsste. Selbst wenn es dann CO2 frei wäre.
00:09:18: Theresa Wiesmeier: Heißt: So so ein Oberleitungs-LKW ist nicht unbedingt ein Fortschritt?
00:09:24: Peter Westenberger: Für einen gewissen Teil schon. Die Oberleitung ist ja auch absolut konkurrenzlos gut und effizient für die Energieversorgung von Schienenfahrzeugen, weil sie nämlich die Energie ohne großen Transportaufwand überall in hohen Mengen und Leistungen bereitstellt. Beim LKW bleibt aber, wenn er unter der Oberleitung fährt, immer wieder das Problem, dass eben Gummirräder auf Beton rollen und der Luftwiderstand unverändert, vielleicht sogar ein bisschen höher ist. Und deswegen ist der Oberleitungs-LKW auf der Fernstrecke, auf jeden Fall der der Eisenbahn immer systematisch unterlegen. Weswegen wir auch immer sagen, wir müssen uns wirklich daran orientieren, dass wir vor allem auf den großen Entfernungen - in Deutschland ja auch viele Transitverkehre, die quer durch Europa gehen. Ich sage immer mal so der Salat aus Spanien kommt in den finnischen Supermarkt. Und wo fährt der durch? Schon auch durch Deutschland. Das wir uns daran orientieren müssen, vor allen Dingen für diese Fernverkehre auch wirklich die Schiene viel stärker zu nutzen.
00:10:24: Theresa Wiesmeier: So, jetzt heißt es oft die Eisenbahn sei ein Subventionsgeschäft. Wie viele Subventionen erhalten denn die Güter-EVUs, also die Eisenbahnverkehrsunternehmen?
00:10:36: Peter Westenberger: Ich hab die Zahl jetzt nicht genau im Kopf, aber es gibt natürlich Betriebskosten-Förderungen beispielsweise gibt es seit 2018 eine Förderung der Trassenpreise, die einen Nachteil zum LKW ausgleichen soll. Ich würde das jetzt mal auf einen Betrag von im Moment etwas unter einer Milliarde Euro schätzen. Aber nageln Sie mich bitte nicht fest. Und die entsprechenden Betriebsbeihilfen, die die Eisenbahn bekommt, die müssen ja von der EU Kommission vorher genehmigt werden, damit sie als wettbewerbsneutral angestellt eingeschätzt werden. Und das gilt für die Subventionen oder Betriebsbeihilfen, die der LKW bekommt, ebenso. Es ist nämlich nicht so, dass der LKW keine bekäme. Angefangen von Fördermitteln, die aus der LKW-Maut umgewidmet werden, bis hin zu sage ich jetzt mal nicht in Geld direkt auftretenden Subventionen, weil der Diesel ja in Deutschland anders sind als in anderen Ländern heruntersubventioniert ist, weil er niedrigeren Steuersatz hat und damit der Staat auf 0,17 € Steuereinnahmen pro Liter verzichtet. Also diese Frage, wie sich das verhält im Markt beziehungsweise mit den Unterstützungen des Staates, das ist eine Forschungsaufgabe wert, das mal auf den aktuellen Stand zu bringen. Wir haben das auch mal Bundesverkehrsminister angeregt, aber da wollte man nicht wirklich dran. Auf jeden Fall ist davon mal unabhängig, dass die Unternehmen, die heute Güterverkehr auf der Schiene anbieten, ganz normal einen Transportpreis bei ihren Kunden erheben müssen und sich wirtschaftlich gerieren müssen, sonst verschwinden sie vom Markt. Das haben wir auch immer wieder und es kommen auch neue Unternehmen dazu. Also es ist schon ein ganz normales Business an der Stelle. Wir haben die Maut auf der Schiene und es gibt eine LKW-Maut, da darf man gerne mal die Unterschiede hervorheben: Also die Trassengebühren auf der Schiene sind viel früher erhoben worden, seit 1994 als beim LKW, da ging es erst 2007 los. Beim LKW auch nur auf den Bundesfernstraßen. Das heißt, die Autobahnen und Bundesstraßen, die ganzen, das ganze Landes- und Kommunalstraßennetzes ist mautfrei. Und dann habe ich an der Stelle bei der Schiene die Situation, dass ich für jeden Meter im gesamten Netz diese Trassenentgelte und sogar für das Abstellen von Zügen bezahlen muss. Also da gibt es noch einen deutlichen Unterschied zulasten der Schiene im Moment.
00:13:06: Andrea Morgenstern: Herr Westenberger, wir möchten noch einmal auf den Deutschlandtakt zu sprechen kommen. Dieser integrale Taktfahrplan berücksichtigt ja auch den Güterverkehr. Was erhoffen Sie sich davon?
00:13:20: Peter Westenberger: Eine bessere Einbindung des Güterverkehrs in die Fahrplanerstellung. Und zwar ist es ja so, dass der Schienenverkehr anders als der Straßenverkehr, egal ob Personen- oder Güterverkehr, nach einem festen Fahrplan - zumindest ist es der Anspruch - fahren soll. Also das heißt, es wird eingeplant, dass die Eisenbahn von sage ich jetzt mal Hamburg morgens um 8:00 losfahren will, weil das Eisenbahnverkehrsunternehmen das gerne so möchte. Und dann arbeitet der Infrastrukturbetreiber einen Fahrplan aus, der am Schluss in München, sagen wir mal am Abend um 22:00 endet. Güterverkehrs ein bisschen langsamer als Fernzüge, deswegen die Zeit. Heute haben wir es so, dass auf dieser Strecke die Güterzüge, die den Hamburger Hafen mit süddeutschen Gewerbegebieten verbinden, bis zu 14 Mal überholt werden, das heißt also zur Seite fahren müssen, um von einem schnelleren Personenverkehrs Zug überholt zu werden. Vom Zielfahrplan des sogenannten Deutschlandtaktkonzeptes versprechen wir uns, dass in sogenannten Systemtrassen geplant wird, die in immer gleichen Abständen, so wie man das aus dem Personenverkehrstakt schon kennt, angeboten werden und dabei auch die Güterverkehrskapazitäten so berücksichtigt werden, dass quasi die Trasse vorkonstruiert ist, also der die Fahrmöglichkeit und das Unternehmen, was dann eben morgens um 8:00 losfahren will, bei der DB InfraGo sagt, die Trasse hätte ich gerne, am besten das ganze Jahr über im sogenannten Jahresfahrplan oder auch kurzfristig, wenn es einen kurzfristigen Bedarf gibt und die Systemtrassen in einem systematisch aufgebauten Deutschlandtakt-Fahrplan würden dann eben nach unserer Hoffnung deutlich weniger von diesen Überholungshalten vorsehen, weil man nämlich und das ist das maßgebliche, der maßgebliche Zugewinn beim Deutschlandtaktkonzept vorher drüber nachgedacht hat, wo die Infrastruktur ausgebaut werden muss, damit eben gerade an Engpässen es nicht dazu kommt, dass sehr viele Züge zur Seite gestellt werden müssen, weil jetzt sehr viele Personenzüge beispielsweise die Kapazitäten belegen, sondern dass man da ein zusätzliches Gleis hat, ein Stück parallel mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten gefahren werden kann, auf dem Gegengleis, wenn das frei ist und langsamere Güterzug auf den Hauptgleis vom ICE überholt werden kann und solche Dinge und das ist, das ist ja die Grundidee des Deutschlandtaktkonzeptes, solche Infrastrukturen dann gezielt auszubauen.
00:15:57: Andrea Morgenstern: Eine sehr schöne Zusammenfassung zum Deutschlandtakt. Wer nämlich noch mal mehr über dieses Thema hören möchte, dem empfehle ich unsere Folge mit Dr. Christian Loos vom Verkehrsclub Deutschland. Der hat uns das auch noch mal sehr schön erläutert. In unserem Projektgebiet zwischen Ulm und Augsburg fürchten viele Menschen den Lärm, besonders durch lange und schwere Güterzüge. Herr Westenberger, sind diese Befürchtungen berechtigt?
00:16:25: Peter Westenberger: Ja, wenn ich jetzt einfach Nein sagen würde, dann würde man sagen "Das muss er so sagen". Also Lärm ist nach wie vor ein Thema von allen Verkehrsarten und auch deswegen vom Schienenverkehr und auch vom Schienengüterverkehr. Der Schienengüterverkehr ist eben dadurch, dass er sehr viele, auch vorhandene ältere Strecken nutzt, besonders also vor langen Jahren angelegte Strecken nutzt, auch besonders prädestiniert dafür, bei den Leuten wirklich vor der Haustür vorbeizufahren und hat lange dieses Lärmthema ignoriert und wurde auch in Westdeutschland ja als Auslaufmodell irgendwann gesehen, sodass man sich gar nicht mal mehr die Mühe gemacht hat, ordnungsrechtliche Vorgaben zu machen, welche Lärmgrenzwerte Fahrzeuge einhalten müssen. Das hat erst Ende der 90er Jahre wieder angefangen und man hat gleichzeitig dann begonnen, technologisch zu schauen, was man bei den Fahrzeugen zur Lärmminderung machen kann. Man hat Lärmsanierung hochgefahren, das heißt also Schallschutzwände auch an bestehenden Strecken neu gebaut, obwohl das vorher gesetzlich nicht und auch bis heute gesetzlich nicht vorgesehen ist, aber als freiwillige Maßnahme. Das kam erst nach und nach in Gang. Und heute ist es tatsächlich so, dass ich jetzt mit gutem Gewissen sagen kann, dass die Lärmminderung im Fahrzeugbestand schon sehr, sehr weit fortgeschritten ist. Das ist vor allen Dingen auf die Verwendung von der neuen Bremstechnologie zurückzuführen. Und dabei geht es nicht um die Geräusche beim Bremsen, sondern es geht darum, dass die alten Bremsen - das ist Metall auf Metall gewesen - dazu geführt haben, dass die Radoberflächen, die Radlaufoberflächen, aufgeraut wurden und diese aufgerauten Radlaufflächen haben, die die ganzen Züge so laut gemacht. Und das ist jetzt durch die neue Bremstechnologie weitgehend weg. Das hat gegenüber dem Status vorher die Züge um die Hälfte leiser gemacht. Und ich mache das jetzt mal so, wenn ich jetzt alle normalen Güterzugstrecke stehe auf dem Bahnsteig, dann ist es heute möglich, ein Gespräch weiterzuführen, Wenn ein Güterzug mit 100 Kilometern vorbeifährt, was vor zehn Jahren noch nicht der Fall gewesen ist. Ich halte deswegen schon - deswegen sage ich jetzt mal auch im Bestand, wir merken das auch, also in den bestehenden Infrastrukturen - das Thema für deutlich geringer geworden. Das war auch dringend überfällig. Bei Neubaustrecken ist es ja so, dass dort ein gesetzlicher Anspruch auf Lärmschutz besteht. Das heißt also, es werden Grenzwerte oder Grenzwerte müssen fest eingehalten werden. Das wird durch Berechnungen vorher ermittelt, die in die dann die Zugzahlen und auch die Zugcharakteristika eingehen und das Betriebskonzept, was der Planung zugrunde liegt. Das muss auch tatsächlich durch das Lärmschutzkonzept dafür, also das das Lärmschutzkonzept muss durch das die Berechnung dafür sorgen, dass das Betriebskonzept auch tatsächlich so eingehalten werden kann, dass keine Überschreitungen der Grenzwerte dort vorkommen. Und ich muss sagen, das ist aus meiner Sicht dann schon ein Thema, wo ich sagen würde, nach dem Bau von Neubaustrecken und den den Lärmschutzmaßnahmen gibt es praktisch keine Beschwerden mehr darüber, dass es zu laut sei. Das ist schon ein Indiz dafür, dass da der Begriff Lärmvorsorge auch wirklich erfüllt wird. Aber es wird natürlich weitergehen, dass Sie die Lärmschutzvorschriften für bestehende oder für neue Fahrzeuge auch weiter angepasst werden, sodass Sie die Lärmminderung noch weitergehen.
00:19:54: Andrea Morgenstern: Die gesetzlichen Grenzwerte, die Sie erwähnt haben, an die müssen wir uns natürlich auch halten bei unserer Planung. Ganz klar.
00:20:02: Theresa Wiesmeier: Ein Güterzug kann bis zu 52 LKW ersetzen. Ist mehr Güterverkehr ein Instrument, um dem Personalmangel im Speditionsbereich zu begegnen?
00:20:13: Peter Westenberger: Auf jeden Fall. Also das ist auch sicherlich einer der Hauptgründe gewesen, warum wir in den vergangenen Jahren bei dem sogenannten kombinierten Verkehr Straße-Schiene den stärksten Zuwachs hatten. Da geht es nämlich darum, dass Sie Ladeeinheiten, also ich nenne mal drei, die da besonders wichtig sind, Seecontainer, Wechselbrücken, das sind kleine Container, die eigene Füße haben, auf denen sie stehen können, was die Verladung erleichtert. Und ganz wichtig das Lademittel, was Sie auf der Autobahn am häufigsten sehen, den Trailer, den Sattelauflieger, der vom LKW von der Zugmaschine gezogen wird. Dass die drei Ladearten nicht komplett auf der Straße gefahren werden, sondern ein Großteil ihres Transportweges auf der Schiene zurücklegen. Und die werden bei Containerterminals, so wie in Dornstadt beispielsweise bei Ulm dann eben oder wie es in Augsburg auch kommen soll, verladen und dann auf der Schiene transportiert. Und das bedeutet, dass dann eben nicht die gesamte Strecke mit einem LKW-Fahrer oder einer LKW-Fahrerin auf der Straße zurückgelegt werden muss. Und da war das stärkste Wachstum in den vergangenen Jahren. Und da erwarten wir auch weiterhin und sehr, sehr starkes Wachstum, weil damit die Vorteile der Schiene eben massiv auch ausgespielt werden können. Über längere Strecken diese einzelnen Fahrten zu ersetzen und da entsprechend auch weniger Energie zu verbrauchen und CO2 zu emittieren.
00:21:40: Andrea Morgenstern: Stichwort längere Distanzen. Gerade da spielen ja die Güterzüge eben ihre Vorteile aus. Aber trotzdem fahren auch immer noch sehr viele LKW mehrere tausend Kilometer quer durch Europa. Warum ist das so?
00:21:54: Peter Westenberger: Ja, also das ist natürlich in allererster Linie darauf zurückzuführen, dass die ökonomischen Bedingungen das begünstigen. Also beim Güterverkehr wird die Verkehrsmittelwahl viel stärker als im Personenverkehr von ökonomischen Kriterien bestimmt und in zweiter Linie oder in annähernd gleicher Linie von der Qualität, also von der Zuverlässigkeit, bis die zugestellt werden können. Wir haben im grenzüberschreitenden Verkehr, weil sie jetzt die weiten Distanzen ansprachen, seit vielen Jahren ein ganz, ganz einfaches System, was jeder beherrschen kann, wenn er einen Führerschein hat. Also wir haben Führerschein, die in allen europäischen Ländern gelten, wir haben keine Anforderungen an die LKW Fahrer:innen, im Zweifelsfall mittlerweile natürlich auch Übersetzungssysteme für Navigationssysteme. Und wir haben dann in verschiedenen Umfängen steuerliche Regelungen für die Fahrzeuge oder auch für die Bemautung, also für die Nutzung der Infrastruktur oder für die Energiekosten. Das hat ja vorhin mit dem Dieselvorteil schon mal angesprochen, die dann letztendlich es zum Erfolgsmodell gemacht haben gerade diese ultralangen Dinge auf der Straße transportieren zu lassen. Und ganz, ganz wichtiger Faktor dabei ist, dass dort auch sehr häufig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt werden, die ziemlich wenig Geld verdienen und teilweise unter sehr menschenunwürdigen Umständen - ich erinnere mal an diese Diskussion an der Raststätte in Grafenhausen, wo Spediteure im letzten Jahr dort protestiert haben - gefahren werden, weil man damit auch eine gewisse ökonomische Not in anderen Mitgliedstaaten ausnutzen kann. Die Eisenbahn dagegen ist ein hochgeregeltes System. Die hat verschiedene Betriebssprachen, die man beherrschen muss, sodass sie nicht so ohne Weiteres in ein Nachbarland fahren können. Auch für die Fahrzeuge gilt das. Sie ist extrem regeltreu, also sie ist von sich aus schon regeltreu. Sie hat einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad, der das noch mal weiter begünstigt. Sie wird sehr intensiv, gerade aus Sicherheitsgründen von der von den Behörden kontrolliert. Und das schlägt sich tatsächlich im Verhältnis zwischen Schiene und Straße in einem Wettbewerbsnachteil, ökonomischen Nachteil dann auch für die Schiene nieder. Das ist sind die wesentlichen Punkte. Und in den vergangenen Jahren ist trotzdem der grenzüberschreitende Verkehr bei der Eisenbahn auch massiv gewachsen. Ungefähr die Hälfte des Güterverkehrs auf der Schiene in Deutschland überquert mindestens eine Grenze, weil da sehr viele Unternehmen gerade aus unserem Beritt mit dazugekommen sind, die anders produzieren als die bisherigen Staatsbahnen und da viel flexibler sind. Und jetzt rückt die Infrastruktur für uns immer mehr in den Vordergrund als limitierende Faktor, dass wir gerade bei den grenzüberschreitenden Verbindungen einfach zu wenige Möglichkeiten haben, die wachsenden Verkehrsmengen auch abzuwickeln.
00:24:50: Andrea Morgenstern: Da würde mich mal interessieren. Wir hatten uns nämlich - Sie haben schon meine nächste Frage nämlich beantwortet - wir haben uns ein Beispiel mal rausgepickt: Wenn ein Güterzug von Portugal zum Beispiel nach Polen fährt, dann überschreitet er ja je nach Route mindestens vier Landesgrenzen. Wie oft muss da zum Beispiel der Lokführer wechseln, dass man sich das mal vorstellen kann? Einfach diese Komplexität auch dahinter. Sie haben die Sprachbarriere genannt. Wenn man noch weiter Richtung Asien geht, dann gibt es eine andere Spurweite für die Züge. Also diese Herausforderungen sind wirklich, die kennt man einfach so nicht, wenn man sich mit dem Thema noch nicht beschäftigt hat.
00:25:25: Peter Westenberger: Na ja, das fängt schon damit an, dass die Arbeitszeit natürlich limitiert ist nach unterschiedlichen Arbeitszeitgesetzen. Sie können hier bis zu zehn Stunden auch fahren und in den zehn Stunden können Sie schon auch ein ganzes Stück - also ich sage es mal so: man sagt grob gesagt 60 Kilometer ist die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit eines Güterzuges unter Berücksichtigung aller Überholungshalte, wenn nichts Schwerwiegendes dazwischenkommt und in zehn Stunden könnten Sie also, dann sage ich jetzt mal 600 Kilometer weit kommen. Und bei Ihrem Beispiel von Portugal werden schon alleine deswegen ein halbes Dutzend Triebfahrzeugführer:innenwechsel notwendig. Zweites Thema ist tatsächlich die Infrastruktur erfordert also die Infrastrukturbetreiber erfordern in den Mitgliedstaaten unisono, dass in der nationalen Sprache zwischen ihnen und den Fahrzeugführerinnen kommuniziert wird. Und das heißt also, der müsste schon, der arme Mensch schon Portugiesisch und Spanisch und dann als nächstes Französisch beherrschen. Das ist schon eine relativ seltene Kombi, würde ich mal behaupten. Mal unabhängig davon, dass Spanien zu groß ist, um in einem Rutsch durchzukommen. Aber der nächste Punkt ist dann tatsächlich. Sie haben schon angesprochen in Portugal, in Spanien ist nach wie vor die Breitspur üblich. In Spanien gibt es schon einiges in europäischer Normalspur also 1435 Millimeter Spurweite, die ansonsten sehr verbreitet ist. Sie können durchgängig von Sizilien bis nach Norwegen fahren, aber von Portugal nach Polen müssen Sie auf jeden Fall auch andere Fahrzeuge benutzen. Oder sie brauchen Waggons, die gibt es auch, wo die Achse, die Achsbreite verändert werden kann. Technische Vorschriften heißt, dass die Fahrzeuge in jedem einzelnen Land, wo sie fahren, aber auch zugelassen sein müssen. Ja, und dann gibt es halt unterschiedliche Stromsysteme. In Portugal gibt es noch gar nicht so wahnsinnig viel Strom und das muss die Lok verarbeiten können. Das ist heute schon, sage ich mal, fast das kleinste Problem. Da hat es eine sehr große technische Entwicklung gegeben. Sie haben unterschiedliche Leit- und Sicherungssysteme. Also das heißt, die Signale sprechen eine andere Sprache, und die müssen die Fahrzeugführerin auch alle beherrschen. Also lange Rede, kurzer Sinn: Trotz aller Vereinheitlichungssbemühungen ist es heute immer noch so, dass in vielen Korridoren es sich doch lohnt, an der Grenze, obwohl es nicht mehr europäisch verpflichtend ist, die Lok und und oder die Triebfahrzeugführer zu wechseln. Das ist auch kein Weltuntergang, wenn man es gut organisiert. Aber in den alten Zeiten des Schienengüterverkehrs sind dann halt die Züge auch gleich mal drei Tage stehen geblieben, bevor sie dann ein anderer Lokführer oder eine andere Lok und Lokführer weitergefahren hat. Aber einfacher wäre es natürlich, wenn man sich ein bisschen mehr Mühe geben würde aus unserer Sicht vor allen Dingen die Infrastrukturbetreiber diese Vereinheitlichung der Betriebssysteme voranzutreiben, weil dann der ganze Verkehr flüssiger laufen würde.
00:28:28: Theresa Wiesmeier: Kommen wir zu einem anderen Thema: zur Pünktlichkeit oder besser gesagt zur Unpünktlichkeit. Im Fernverkehr der Deutschen Bahn sind zuletzt nur rund 60 Prozent der Züge pünktlich. Wie sieht es denn beim Güterverkehr aus?
00:28:43: Peter Westenberger: In etwa ähnlich, was die Prozentzahlen angeht, allerdings auf einem etwas höheren Niveau. Da wird nämlich erst ab einer Viertelstunde von Unpünktlichkeit geredet werden. Beim Fernverkehr - für mich übrigens unverständlich - bei sechs Minuten die Unpünktlichkeit beginnt. Im Güterverkehr ist es so, dass die Anforderungen an Pünktlichkeit in erster Linie vom Kunden - wie beim Personenverkehr auch - der aber ein industrieller Kunde ist, definiert werden. Und das ist nicht ganz so streng, da wird meistens nicht so umgestiegen wie im Personenverkehr. Also wenn wir eine halbe Stunde zu spät kommen, dann redet dort noch keiner, auch bei den bei den Kunden von Verspätung. Bei einer Stunde gibt es Stirnrunzeln, bei zwei Stunden wird es ernsthaft problematisch. Und auch dann im Übrigen für die Eisenbahnverkehrsunternehmen, weil ein Zug, der irgendwo hinfährt und dort abgeladen wird, der wird idealerweise auch entweder neu beladen, zum Beispiel mit Containern, die er in die andere Richtung fährt. Also das heißt, die Wagen und die Lok sind auch schon für die Rückfahrt wieder eingeplant und dann wieder für die Hinfahrt und dann wieder für die Rückfahrt oder bei - keine Ahnung - irgendwelchen Erzen gibt's halt ne Rückfahrt als Leerfahrt, aber die ist auch die Voraussetzung für die nächste Lastfahrt. Also das heißt, diese Umläufe kommen bei größeren, bei größeren Verspätungen schwerst ins Trudeln und das ist ein wirtschaftliches Problem. Bei diesen kleineren Verspätungen ist es so, dass der Güterverkehr heute oft auch dazu dient, die Verspätungen im Personenverkehr abzubauen, indem der Güterverkehr noch mal ein bisschen länger an die Seite gestellt wird und nachfolgende verspätete Personenzüge dann eben auch ein Stück weit von ihrer Verspätungen abbauen können statt hinter einem etwas langsameren Güterzug - wie ist die Reihenfolge eigentlich vor, also die Fahrplanreihenfolge eigentlich vorgesehen hatte - hinterher zu fahren oder so. Also das heißt, wir sitzen da als Bahnunternehmen alle in einem Boot. Im Moment puffert der Güterverkehr ein Stück weit die Unpünktlichkeit, die ja zum sehr großen Teil aus der Infrastruktur kommt, aber auch zu einem nicht unerheblichen Teil aus Mängeln in der Pflege und Bereitstellung der technischen Qualität von Personenverkehrsfahrzeugen. Da müssen alle Beteiligten an dem an dem Thema arbeiten. Das Wichtigste ist allerdings tatsächlich die sehr, sehr hohen Störungsquellen bei den veralteten Anlagen der Infrastruktur möglichst schnell zu minimieren, damit da eben nicht so große Störungen auftreten, die alle Züge, die fahren ja alle hintereinander her, dann in so einer regelrechten Dominokette betreffen.
00:31:18: Theresa Wiesmeier: Zu den Störungen, die zu minimieren sind: Dieses Jahr beginnt in Deutschland die Generalsanierung Hochbelastete Zugstrecken. Wie finden Sie das?
00:31:29: Peter Westenberger: Ein bisschen zu viel PR, muss ich sagen, Aber grundsätzlich gut, dass man sich vorgenommen hat, den Sanierungsstau im gesamten Netz zu beheben. Weil tatsächlich Deutschland ist eben Autoland und hat sich erlaubt, über Jahrzehnte an der Infrastruktur, bei der Eisenbahn, auch bei anderen Infrastrukturen, aber auch gerade bei der Eisenbahn zu sparen. Und das macht sich jetzt dadurch bemerkbar, dass wir wirklich in weiten Bereichen auf Infrastrukturen unterwegs sind, die in 70er, 80er Jahren das letzte Mal erneuert worden sind. Wir haben Überleitungsanlagen, also wenn Sie aus dem Zug mal raus gucken, so Masten, wo Sie schon vom Hingucken denken, kann der wirklich noch stehen oder muss er nicht doch mal erneuert werden? Und dieser Sanierungsstau, der muss unbedingt behoben werden. Es ist gut, dass die Bundesregierung und auch DB an der Stelle jetzt nicht mehr gesagt haben "wird schon", sondern zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Was allerdings aus unserer Sicht im Einzelfall zu diskutieren ist, ist, wie ich saniere, in welcher Geschwindigkeit und dass ich eben nicht nur die Hauptnetze oder die Hauptstrecken sanieren darf, sondern mich tatsächlich auch um das gesamte Netz kümmere. Also das, was jetzt als sogenannte Korridorsanierung bis zum oder Generalsanierung bis zum Jahr 2040 vorgestellt ist, das umfasst nur 15 Prozent des gesamten Netzes. Aber wir hatten jetzt gerade wieder eine Bundestagsanfrage, die Bundesregierung sieht selbst einen durchgreifenden Sanierungsbedarf bei der Hälfte des gesamten Netzes. Und das sind eben nicht nur die Strecken, wo sehr viele Züge fahren, sondern auch manchmal ist es nur eine Brücke, die auf einer Nebenstrecke einen gesamten Verkehr gefährdet. Und da gibt es gerade im Güterverkehr, wenn Sie irgendwo eine größere Industrieanlagen hintendran haben, oft so in der Öffentlichkeit kaum bekannte Sachverhalte, wo wir schlicht und einfach jetzt mal tief in die Tasche greifen müssen, sonst droht da der Infarkt bei der Infrastruktur und damit auch bei der industriellen Versorgung.
00:33:34: Andrea Morgenstern: Dann haben wir zum Schluss, Herr Westenberger, noch drei Begriffe für Sie mitgebracht. Sie dürfen uns einen Begriff zurückwerfen. Sie dürfen sich dazu auch mehr einfallen lassen, Ganz, ganz wie Sie mögen. Der erste Begriff wäre heute die "Klimalücke".
00:33:52: Peter Westenberger: Ich vermute, dass Sie damit, dass zwischen dem, was im Klimaschutzgesetz als Anspruch steht, eine Reduktion von Treibhausgasemissionen und dem, was die Sachverständigen bei Fortsetzung der jetzigen Politik ausrechnen, meinen. Das besorgt mich ganz besonders. Ich beschäftige mich mit dem Thema schon seit 15 Jahren und es gab ein großes, große Erleichterung, dass sich die Staatengemeinschaft in diesem Pariser Vertrag und Deutschland im Klimaschutzgesetz zu verbindlichen Zielen zur Treibhausgasreduktion verpflichtet hat und dass jetzt alles wieder aufgeweicht und irgendwie neben hingelegt wird. Deswegen finde ich ganz wichtig, dass wir darüber sprechen, wie wir diese Klimalücke möglichst schnell geschlossen bekommen. Da freue ich mich, dass ich beim richtigen Arbeitgeber tätig bin.
00:34:41: Andrea Morgenstern: Der zweite Begriff lautet "Einzelwagenverkehr".
00:34:46: Peter Westenberger: Ja, auch ein Thema, was glaube ich, über- und unterschätzt wird. Gleichzeitig habe ich mich heute Morgen in einer Informationsveranstaltung des Verkehrsministeriums mit der geplanten Förderung auseinandergesetzt, die ich für unglaublich komplex halte. Es geht dabei um Produktionssysteme, wo einzelne Wagen und nicht eben ganze Züge aus einzelnen Gleisanschlüssen abgeholt und zu Zügen gebündelt werden. Das ist komplex in der Erstellung. Es ist unwirtschaftlich, so wie es heute betrieben wird und dem soll mit einer Förderung jetzt abgeholfen werden. Die ist auch unnötig komplex, aber immerhin existiert der gute Wille und die Förderung soll schon 2026 evaluiert werden. Wenn sie dann jetzt in Kraft gesetzt wird, da hoffe ich, dass sie dann nachgebessert wird, weil - und jetzt komme ich zum Positiven - wir haben eben ganz viele Gewerbeunternehmen, die keinen Ganzzug jeden Tag oder auch alle zwei Tage bereitstellen, also 30 oder 40 Waggons beladen oder entladen können, sondern eher so in der Kategorie von zwei LKW am Tag. Dafür ist der Einzelwagenverkehr das richtige Produktionssystem dort auch solche Unternehmen zu bedienen, das ist wie beim Kapillarsystem im Blutkreislauf oder wie bei Bächen, die einen großen Fluss speisen. Und wenn wir als Schiene erfolgreich sein wollen, dann müssen wir diese kleinen Einheiten auch bedienen und für die kleinen Einheiten sind auch die Trailer und der kombinierte Verkehr mit Trailern und Containern-Wechselbrücken geeignet. Aber dort, wo es Gleisanschlüsse gibt, ist es eigentlich am vernünftigsten, dass wir mit dem Wagen bis in den Gewerbebetrieb reinfahren und den dort abholen und lieber noch ein paar Nachbarn im Gewerbegebiet dazu animieren, dort auch ihre Waren auf die Schiene zu verladen.
00:36:32: Andrea Morgenstern: Und die "Kostenwahrheit".
00:36:35: Peter Westenberger: Ja, also die Kostenwahrheit wird immer umstritten sein, weil es geht letztendlich darum, dass Sie eine vergleichbare faire Basis der Anlassung von Infrastrukturkosten, von Steuern, von anderen Belastungen haben, wenn Wettbewerber miteinander um Aufträge konkurrieren. Das ist auch im Verkehrsmarkt so und Kostenwahrheit zwischen Straße und Schiene im Güterverkehrsbereich ist aus unserer Sicht eben noch nicht erfüllt, weil es sehr viele, ja faktische Subventionstatbestände für den Straßengüterverkehr gibt, die der Schiene das Leben schwer machen. Und deswegen kämpfen wir dafür, dass es Kostenwahrheit gibt, dass man sich die Zahlen auf den Tisch legt und sagt wir wollen die Verkehrsmittel gleich behandeln. Dann würden wir nämlich davon ausgehen, dass die hohe Effizienz der Schiene zu deutlich höheren Marktanteilen der Schiene auch führen würde. Aber da muss man damit leben, dass es Leute gibt, die da andere Interessen haben. Mit denen muss man den politischen Diskurs führen.
00:37:36: Andrea Morgenstern: Trotzdem ein sehr erstrebenswertes Ziel. Und ich denke, da bleiben wir alle dran würde ich sagen.
00:37:42: Peter Westenberger: Auf jeden Fall.
00:37:44: Andrea Morgenstern: Ganz lieben Dank für Ihre Zeit, dass Sie uns heute über den Güterverkehr sehr viel berichtet haben in Deutschland.
00:37:50: Peter Westenberger: Gern geschehen und vielen Dank für die vielen netten Fragen.
00:37:56: Theresa Wiesmeier: Wiederschaun Herr Westenberger.
00:37:57: Peter Westenberger: Alles Gute! Bis dann.
00:37:59: Theresa Wiesmeier: Und Andrea bis zum nächsten Mal hier.
00:38:15: Outro: Das war ein Podcast vom Bahnprojekt Ulm-Augsburg. Es sprachen: Andrea Morgenstern und Theresa Wiesmeier. Redaktion: Andrea Morgenstern und Jakob Neumann. Produktion und Schnitt: Jakob Neumann.
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