Blau-Grün, Orange, Türkis oder Violett? – Die Vorschlagsvariante für Ulm–Augsburg

Shownotes

Nicht alle finden gut, was das Projektteam um Markus Baumann plant. Beispielsweise Thomas Schilling aus Limbach oder Josef Stöckle aus Wollbach bei Zusmarshausen. Mit beiden haben wir gesprochen und zwar in den Folgen "Hier, dort oder gar nicht – Bürgerinitiative Limbach" und "Dafür, dagegen oder sowohl als auch? – Bürgerinitiative Wollbach"

Einer, der sich über den Verlauf freuen dürfte, ist der Bürgermeister von Zusmarshausen, Bernhard Uhl. Sein Ort könnte einen Regionalhalt bekommen. Was ihm sonst noch wichtig ist, hat er uns in der Episode "Ein Bahnhof für Zusmarshausen? – in zehn Minuten in Augsburg" verraten.

Worauf man achten muss, wenn man eine Eisenbahnstrecke plant, verrät Martin Kastner, Generalplaner für Ulm–Augsburg in der Folge "Viele für eine? – Ingenieurinnen und Ingenieure für Ulm–Augsburg."

Auf einer neuen Strecke Ulm–Augsburg fährt nicht nur Fernverkehr, sondern auch Güterverkehr. Warum das wichtig ist erklärt Peter Westenberger von Die Güterbahnen in der Episode "Lang, schwer und immer mehr" – Güterverkehr auf der Schiene"

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00:00:02: Intro: Neuzerschneidung von bisher unbebauter Natur... wo wir noch nicht so die ideale Lösung vielleicht gefunden haben... Im Grunde steht die Trasse jetzt.

00:00:17: Theresa Wiesmeier: Mehrere Jahre haben wir nach der besten Möglichkeit gesucht, Ulm und Augsburg mit neuen Gleisen zu verbinden. Wir haben untersucht und geplant, Verfahren durchlaufen, Diskussionen geführt und uns auch Kritik anhören müssen. Jetzt steht fest, welche der Varianten wir dem Bundestag, unserem Auftraggeber, vorschlagen werden. Darüber sprechen wir heute mit dem Gesamtprojektleiter Markus Baumann: Hallo Markus!

00:00:43: Markus Baumann: Hallo Theresa, Hallo Andrea.

00:00:46: Theresa Wiesmeier: Markus die Vorschlagsvariante steht fest. Wo verläuft sie?

00:00:51: Markus Baumann: Ja ich könnte es ganz platt sagen: in Bayerisch Schwaben irgendwo zwischen Ulm und Augsburg. Das wird wahrscheinlich jetzt nicht konkret genug sein. Ich werde versuchen, ein bisschen darzustellen, beginnend von Neu-Ulm, der Bestandsstrecke folgend durch Burlafingen durch, durch Nersingen durch, bis etwa Höhe Biberhacken wo das Naturschutzgebiet ist. Dort zweigt es ab, folgt der - wer unsere virtuelle Karte vor Augen hat - violetten Trasse bis etwa Höhe Bubesheim und dann dort auf unserer orangen Trasse der Autobahn entlang; bleibt, ziemlich Autobahnnah, meistens auf der Nordseite. Geht dann nach Zusmarshausen: In Zusmarshausen liegen wir in einer tiefen Lage, das heißt etwa auf Höhe der Autobahn, so dass hier später mal, wenn es denn bestellt wird von der bayerischen Eisenbahngesellschaft, ein Regionalhalt möglich wäre. Wir bleiben an der Autobahn entlang, momentan auf der Südseite von Adelsried, fahren über Hirblingen weiter hinaus und dann kurz vor dem Güterverkehrszentrum in Augsburg, wechseln wir sozusagen auf die türkise Variante und dann wieder an der Strecke Augsburg-Donauwörth entlang nach Augsburg-Oberhausen.

00:02:05: Andrea Morgenstern: Und Markus warum heißt es eigentlich Vorschlagsvariante?

00:02:10: Markus Baumann: Die Vorzugsvariante ist das Ende der Leistungsphase zwei und den Vorzug bestimmt natürlich derjenige, der das Ganze finanziert. Das ist der Bund. Und deswegen haben wir jetzt die Vorschlagsvariante gemacht. Wir machen einen Vorschlag für die weiteren Verfahren, insbesondere für die parlamentarische Befassung, mit der Idee, dass wir das, was wir vorschlagen, aus unserer Sicht die Trasse ist die a) genehmigungsfähig ist, b) wirtschaftlich und somit umsetzbar ist. Und ganz wichtig: die die wenigsten Beeinflussungen für Mensch Natur in der Region mit sich bringen wird.

00:02:47: Andrea Morgenstern: Am 21. Juni wurden die Ergebnisse des Trassenauswahlverfahrens und auch des Raumordnungsverfahrens vorgestellt. Wie entstand dann jetzt daraus die Vorschlagsvariante?

00:02:59: Markus Baumann: Das Leitverfahren war das Trassenauswahlverfahren, dass die Universität Innsbruck geleitet hat, gemeinsam im Dialogforum. Das heißt, hier hat die Region erarbeitet, welche Kriterien ihr wichtig wären für so eine Auswahl einer Trasse. Da gab es ein gewisses Ergebnis. Dieses Ergebnis war aber in gewissen Bereichen dann eben nicht genehmigungsfähig. Und diese Genehmigungsfähigkeit haben wir überprüft. Mit den Vorgaben des Raumordnungsverfahrens. Die Regierung von Schwaben hat ja unsere Trassen geprüft, die wir vorgelegt haben und hat dabei festgestellt, dass einige Trassen eben nicht genehmigungsfähig sind oder in einem späteren Verfahren größere Schwierigkeiten haben könnten in der Genehmigung. Und deswegen musste man dann eben eine Stückelung in drei Trassen vornehmen. Und so ist dann unsere Vorschlagsvariante entstanden.

00:03:53: Andrea Morgenstern: Die Ergebnisse vom Trassenauswahlverfahren werden wir ja auch alle online stellen auf unserer Website, richtig, sobald sie vorliegen?

00:03:58: Markus Baumann: Genau. Das Ergebnis des Trassenauswahlverfahrens kann man auf unserer Webseite nachschauen. Man kann auch die Unterlagen des Raumordnungsverfahrens bei der Regierung von Schwaben runterladen. Ist alles ganz transparent. Man kann auch auf unserer Homepage auch die Vorschlagsvariante sich anschauen. Auf der interaktiven Karte ist sie dargestellt und da wird man sehen, dass wir an der einen oder anderen Stelle auch noch ein bisserl was tun müssen.

00:04:22: Theresa Wiesmeier: Du hast es vorher angesprochen: Die BEG, also die Bayerische Eisenbahngesellschaft, hat eine Potenzialanalyse durchgeführt, die zu dem Ergebnis kam, dass es einen möglichen Regionalbahnhalt in Zusmarshausen geben könnte. Der Bahnhalt ist allerdings nur dann realisierbar, wenn im Bereich Zusmarshausen die Variante Orange kommt. Inwiefern hat das Ergebnis die Auswahl einer Vorschlagsvariante beeinflusst?

00:04:48: Markus Baumann: Grundsätzlich erstmal weniger, sondern es war einfach nur klar: Ein Regionalbahnhof kann es nur dann geben, wenn dort eine Trasse entlang läuft und die Vorschlagstrasse durch Zusmarshausen geht. War natürlich ein wichtiger Hinweis. Man darf nicht vergessen: durch so einen Regionalhalt Zusmarshausen entsteht ein echter Mehrwert für die Region durch das Projekt. Eine Region, die heute noch nicht erschlossen ist für den Schienenverkehr, wird in Zukunft die Möglichkeit haben, hier an den Schienenverkehr angeschlossen zu werden. War schon auch wichtig zu wissen; hat aber am Ende direkt keinen Einfluss gehabt, sondern nur über das Trassenauswahlverfahren. Denn auch dort wurde dieses Kriterium ja abgeprüft. Und im Kriterien der Raumerschließung hat dann eben ein Halt in Zusmarshausen relativ viele Punkte bekommen, eine hohe Gewichtung.

00:05:39: Andrea Morgenstern: Markus fasst du noch mal für uns zusammen: Warum ist die gewählte Vorschlagsvariante jetzt die Beste aller Varianten?

00:05:47: Markus Baumann: Es ist zumindest die Beste, die wir im Verfahren hatten. Ob es die Allerbeste ist, kann man ja nicht beurteilen, ist dafür die Beste, die wir gefunden haben. Aus mehreren Gründen: Zum einen erfüllt sie alle Projektziele des Bundes. Die Fahrzeitziele, die Güterverkehrstauglichkeit mal genannt. Also diese Punkte sind unserem Auftraggeber ganz wichtig. Sie ist wirtschaftlich. Es ist von denen, die möglich sind, die wirtschaftlichste Variante. Ganz wichtig: Sie erschließt neuen Raum, durch den Tiefbahnhof Zusmarshausen. Das halte ich auch für wichtig und vielleicht ein Punkt, der für die Region sehr wichtig ist, sie ist auch genehmigungsfähig. Das heißt, wir sprechen jetzt nicht mehr über Dinge, die eines Tages nicht genehmigt werden können, die durch eine Genehmigung noch durchfallen, sondern diese Trasse wird in dieser oder in ähnlicher Form auch tatsächlich umgesetzt werden. Und ein Punkt, der denke ich, bei uns was Besonderes ist: Wir haben die Trasse mit der Region gemeinsam gefunden, in einem engen Dialog. Wir haben viele Vorschläge der Region aufnehmen können für diese Vorzugsvariante und können somit sicherstellen, dass wir etwas gefunden haben, was zum einen den Menschen dient, weil wir weit von möglichst vielen Siedlungen weg sind. Durch die enge Trassenbündelung vermeiden wir Neuzerschneidung von bisher unbebauter Natur und bringen somit sehr viel für den Umwelt- und Naturschutz mit.

00:07:10: Andrea Morgenstern: Das sind viele Vorteile. Hört sich gut an.

00:07:13: Theresa Wiesmeier: Nicht alle Menschen werden mit der Wahl der Variante zufrieden sein. Was sagst du diesen?

00:07:19: Markus Baumann: Es ist natürlich so, dass haben wir auch immer betont: Wir wissen, wir greifen irgendwann in die Lebenswirklichkeit von Menschen ein. Und es wird nicht nur Leute geben, die sich über eine Trasse freuen. Es wird immer auch Gegner geben, die wird es auch weiterhin geben. Wir können nur einen offenen Dialog anbieten und versuchen, die Ängste und die Sorgen der Menschen aufzunehmen und zu berücksichtigen. Nichtsdestotrotz wird es Menschen geben, die Grundstücke verlieren, die eine schöne Aussicht verlieren, die in Zukunft vielleicht etwas mehr Lärm haben, ist richtig. Aber im Sinne von allen, von der gesamten Gesellschaft, ist die neue Trasse eben notwendig und in einem dicht besiedelten Land, wie wir es in Bayerisch-Schwaben halt nun mal haben, lässt es sich nicht vermeiden, dass es hier gewisse Härten geben wird. Wir können sie nur ausgleichen. Auch monetärer Ausgleich ist sicherlich nicht immer ausreichend, um den Verlust, den man moralisch, seelisch in Aussicht hat in seiner Lebenswirklichkeit, auszugleichen. Deswegen ja, es wird Leute geben, die auch weiterhin dagegen sind. Die einen zu Recht, die anderen vielleicht eher auf einer emotionalen Schiene, die vielleicht auch nicht immer berechtigt ist.

00:08:32: Andrea Morgenstern: Und Markus, wir haben jetzt unsere Vorschlagsvariante. Wie geht es jetzt weiter?

00:08:36: Markus Baumann: Unsere Vorschlagsvariante hat ja, wenn man auf der interaktiven Karte dann auch nachschaut, noch gewisse Punkte, wo wir noch mal nacharbeiten müssen, wo wir noch nicht so die ideale Lösung vielleicht gefunden haben. Ich nenne jetzt einfach mal zwei, drei Punkte: Wir haben hier zum Beispiel die Ortsdurchfahrt in Burlafingen. Wir wollen hier noch mal nacharbeiten, um zu erreichen, dass neben den vier Gleisen, die durch den Ort gehen, in Zukunft auch die Adenauerstraße erhalten bleiben kann. Plus eine mögliche Station Platz hat, um einen S-Bahn-ähnlichen Verkehr in der Region zu ermöglichen. Wir haben den Bereich Biberhacken, wo wir heute in den Donauauen sind. Grundsätzlich erscheint es planungs- und auch genehmigungsfähig. Könnte aber schwierig werden. Deswegen werden uns hier noch mal anschauen, ob wir uns eine südliche Umfahrung, also früheres Umfahren der heutigen Bestandsstrecke Südseite, uns anschauen können. Wir haben das Mindeltal, was uns große Probleme immer noch macht. Auch da werden wir noch die eine oder andere technische Lösung vielleicht finden müssen. Aber nichtsdestotrotz, im Grunde steht die Trasse jetzt in ihrer Lage zu 95 %. Diese Dinge werden jetzt eben noch nachbetrachtet. Dann haben wir jetzt intern noch ein paar Dinge zu klären, auch mit dem BMDV, dem Bundesverkehrsministerium, hinsichtlich Nutzen-Kosten-Faktor zum Beispiel für diese Trasse muss ermittelt werden. Und dann müssen wir noch einen langen Bericht schreiben, der dann über das Bundesverkehrsministerium an den Deutschen Bundestag geht, um dann im Jahr 2025 hoffentlich noch in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages zu einer Beschlussfassung des Bundestages führt. Um die Vorplanung abzuschließen und eine Bestätigung für unsere - dann Vorzugstrasse - zu bekommen.

00:10:19: Andrea Morgenstern: Vielleicht auch, wenn wir vorausschauen. Noch kurz, wie es kommunikativ weitergeht: Wir werden natürlich weiter informieren, in den Dialog gehen. Wir bieten Webcasts an für die Öffentlichkeit und unser Infomobil wird im Herbst unterwegs sein in vielen Kommunen und so wollen wir auf jeden Fall mit allen im Austausch bleiben.

00:10:36: Markus Baumann: Der Dialog ist und war uns wichtig und wird auch eine ganz wichtige Säule in unserem Projekt bleiben. Denn nur gemeinsam mit der Region können wir möglichst gute Lösungen finden und dieses prägende Projekt für die nächsten Jahrzehnte in der Region auch gut umsetzen.

00:10:54: Theresa Wiesmeier: Markus, ich habe noch drei Begriffe für dich. Du kennst das Spiel: du darfst mir erzählen, was dir dazu einfällt. Erster Begriff ist: "Genehmigungsrisiko".

00:11:04: Markus Baumann: So eine Trasse ist natürlich schon ein starker Eingriff in die Natur und die Lebenswirklichkeit der Menschen. Und wir müssen eine Trasse finden, die am Ende in einem Planfeststellungsverfahren genehmigungsfähig ist. Es ist auch unser Auftrag. So eine Planung kostet sehr viel Geld und es wäre sehr, sehr schade, eine Trasse zu wählen, die vielleicht nach zehn Jahren Planung in ein Genehmigungsverfahren geht und dann nicht genehmigungsfähig ist. Und deswegen ist es wichtig, wenn es auch vielleicht im Trassenauswahlverfahren erst mal nicht die beste Trasse war, etwas zu wählen, was am Ende tatsächlich auch genehmigt werden kann.

00:11:39: Theresa Wiesmeier: Zweiter Begriff: "Tunnel".

00:11:42: Markus Baumann: Tunnels sind wunderbare Bauwerke. Ich baue sehr gerne Tunnel, haben Vorteile: Man sieht nicht, was drin ist. Wunderbar, weder Lärm noch irgendwelche Blickbeziehungen werden gestört. Haben natürlich auch einige Nachteile: Sind sehr teuer, sehr aufwendig im Grunde und haben einen erstmal hohen CO2-Ausstoß. Wobei wir auch hier ganz klar dran arbeiten, insbesondere diesen Nachteil ein bisschen aufzubrechen durch neue Baumethoden. Da sind wir gerade in vielen interessanten fortschrittlichen Technologien unterwegs, die wir untersuchen. Aber Tunnels sind sehr schön und ganz wichtig. Und ganz wichtig: Tunnels sind grundsätzlich keine Elemente des Schallschutzes.

00:12:29: Theresa Wiesmeier: Und dritter Begriff: "26 Minuten".

00:12:33: Markus Baumann: 26 Minuten ist eine unserer ganz wichtigen Planungsprämissen, die uns der Bund mitgegeben hat. Um den Deutschlandtakt in Deutschland möglich zu machen, muss der Zugverkehr zwischen Ulm und Augsburg in maximal 26,0 Minuten fahren können. Mit unserer Vorschlagstrasse werden wir noch einige drunter liegen, etwa bei 25 Minuten und somit haben wir uns ein wichtiges Ziel 26 Minuten sicher erreicht.

00:13:00: Andrea Morgenstern: Danke Markus für die Infos zur Vorschlagstrasse. Wir sind alle gespannt, wie es weitergeht.

00:13:06: Markus Baumann: Vielen Dank euch beiden.

00:13:08: Theresa Wiesmeier: Danke Dir und Andrea: bis zum nächsten Mal!

00:13:10: Andrea Morgenstern: Bis zum nächsten Mal Theresa!

00:13:24: Outro: Das war ein Podcast vom Bahnprojekt Ulm Augsburg. Es sprachen: Andrea Morgenstern und Theresa Wiesmeier. Redaktion: Andrea Morgenstern und Jakob Neumann. Produktion und Schnitt: Jakob Neumann.

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