Mit- oder Gegeneinander? – Bahn zwischen Bundes- und Kommunalpolitik

Shownotes

Mehr Schienenkapazitäten in der Region Augsburg wurden schon oft gefordert. Zum Beispiel
1996 in der Diedorfer Erklärung. Damals dabei war Hansjörg Durz als Stadtrat von
Neusäß. Heute sitzt Durz im Bundestag und beschäftigt sich immer noch mit zusätzlichen
Gleisen zwischen Ulm und Augsburg. Ein Gespräch darüber, wie es zu der Forderung
nach einen dritten Gleis kam, was man in Berlin von Ulm–Augsburg hält und für die Finanzierung welches Projekts er sein politisches
Gewicht nutzen will.

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00:00:02: Intro: Aber die Kosten sind so enorm hoch, dass wir das als Freistaat Bayern nicht leisten können... Ist die Finanzierung Stand heute noch nicht gesichert... mit bestmöglichen Lärmschutz beispielsweise...

00:00:19: Theresa Wiesmeier: Nahverkehr ist Ländersache, Fernverkehr ist Bundessache. Unser heutiger Gast vertritt die Interessen seines Wahlkreises, dem ein zuverlässiger Nahverkehr wichtig ist, und die Interessen des Bundes, dem ein reibungsloser Fernverkehr am Herzen liegt. Darüber sprechen wir mit dem Bundestagsabgeordneten Hansjörg Durz. Hallo, Herr Durz.

00:00:40: Hansjörg Durz: Hallo zusammen, vielen Dank für die Einladung.

00:00:42: Theresa Wiesmeier: Sehr gerne. Die Vorschlagsvariante ist bekannt: Im Osten Türkis und Orange, im Westen Violett. Was halten Sie von diesem Ergebnis?

00:00:51: Hansjörg Durz: Also, wenn man die unterschiedlichen Interessen betrachtet, nämlich genau die des Bundes auch, diese überregionale Perspektive, aber auch die regionale, wie denn zukünftig der Nahverkehr gefahren werden kann. Wenn wir uns ansehen, welche Vorgaben für das Projekt notwendig umzusetzen sind und wenn wir auch die Betroffenheit in der Bevölkerung, in der Region, uns ansehen, dann ist die jetzt ausgewählte Trassenvariante die bestmögliche. Aber dennoch gibt es natürlich noch einige Punkte nachzuarbeiten jetzt. Aber daran arbeitet ja das Projektteam aktuell.

00:01:30: Andrea Morgenstern: Genau. Ihr Arbeitsplatz ist der Bundestag in Berlin. Das ist von Bayerisch Schwaben ganz schön weit entfernt. Welche Rolle spielt denn ein Bahnprojekt wie unseres in der Hauptstadt?

00:01:41: Hansjörg Durz: Also zunächst mal ja, Bayerisch Schwaben - Augsburg, ist ein ganzes Stück – 570 Kilometer – von der Bundeshauptstadt entfernt. Und auch deswegen fahre ich sehr viel mit dem Zug. Allerdings eher auf einer Strecke, also die Neubaustrecke zwischen München und Berlin, die bringt mich sehr zuverlässig und sehr schnell von Augsburg nach Berlin. Aber in Berlin hat die Strecke Ulm - Augsburg eine sehr hohe Bedeutung. Man sieht schon daran das ist ja nicht nur ein für Deutschland wichtiges Projekt ist, sondern eben im europäischen Kontext eine hohe Bedeutung hat. Es liegt mitten in Europa. Die Strecke Ulm – Augsburg ist Bestandteil der europäischen Magistrale zwischen Paris und Budapest, aber auch im bundespolitischen Kontext, wenn wir uns zum Beispiel den Deutschlandtakt ansehen: wenn wir uns generell die Verbindungen zwischen Nord und Süd ansehen, wenn wir sehen, dass diese Strecke, über die wir sprechen, eine der meistbefahrenen in Süddeutschland ist, dann wird deutlich, welche Bedeutung diese innerhalb Deutschlands hat und so richtig offensichtlich wurde es, als wir über den Bundesverkehrswegeplan diskutiert haben. Ich bin im Jahr 2013 in den Bundestag gewählt worden und das große Thema im Zusammenhang mit der Verkehrsinfrastruktur war damals die Diskussion über den Bundesverkehrswegeplan, also darüber, was denn der Bund in den nächsten Jahren und Jahrzehnten an Infrastrukturprojekten überhaupt angehen und umsetzen möchte. Und da wurden für den Bundesverkehrswegeplan über 400 Schienenprojekte angemeldet und knapp über 20 sind dann in den sogenannten vordringlichem Bedarf eingestellt worden. Dieser vordringliche Bedarf zeigt, dass das die wichtigsten Projekte innerhalb Deutschlands sind, also von 400 auf knapp über 20, und unser Projekt war dabei. Also das zeigt sehr deutlich, welche bundesweite Bedeutung und welche Bedeutung in Berlin dieses Projekt auch hat.

00:03:48: Andrea Morgenstern: Und schön, wie Sie unser Projekt sagen, das gefällt mir.

00:03:51: Hansjörg Durz: Ja klar, ist unser gemeinsames Projekt.

00:03:53: Theresa Wiesmeier: Wenn Sie in Ihrem Wahlkreis mit den Menschen über unser Bahnprojekt sprechen, was hören Sie häufiger? Stimmen, die fordern, dass es bei uns schneller gehen soll. Oder solche, die lieber noch einmal prüfen wollen, ob es das überhaupt braucht.

00:04:10: Hansjörg Durz: Es gibt beides, je nachdem, wo ich hingehe, mit wem ich spreche. In den letzten Tagen und Wochen gibt es eher die Stimmen, die sagen, es soll möglichst zeitnah umgesetzt werden, weil, glaube ich, viele Menschen auch sehen den Mehrwert, den dieser Ausbau für den Fernverkehr, aber eben auch für den Nahverkehr hat. Aber es gibt eben auch die Stimmen, wo Menschen sagen, sie sind sehr stark betroffen. Das ist auch sehr nachvollziehbar und die Sorgen und Ängste mit der Strecke verbinden. Und da gilt es jetzt eben in den nächsten Wochen und Monaten bestmöglich die Maßnahme so zu realisieren mit bestmöglichen Lärmschutz beispielsweise, dass die Betroffenheit so gering wie möglich ist.

00:05:02: Andrea Morgenstern: Vor Ihrer Zeit als Mitglied des Bundestags waren Sie Bürgermeister von Neusäß. Kommt daher auch Ihr Engagement für die Menschen entlang der Bestandsstrecke Ulm–Augsburg?

00:05:13: Hansjörg Durz: Da muss man ein bisschen in die Vergangenheit gehen. Ich bin 1996 in den Stadtrat der Stadt Neusäß, meiner Heimatstadt, gewählt worden, und im Jahr 1996 gab es eine Bahnkonferenz in Diedorf, da ist die sogenannte Diedorfer Erklärung entstanden, in der sich Kommunalpolitiker zusammengefunden haben und sich vereinbart haben, das sie für einen bestmöglichen Schienenpersonennahverkehr in der Region kämpfen. S-Bahn-Verkehr in der Region Augsburg war damals das Stichwort. Und zehn Jahre später, nachdem das Projekt nicht so richtig vorangekommen ist, haben sich ganz viele Kommunalpolitiker zusammengefunden zu einer großen gemeinsamen Gemeinderatssitzung und haben noch mal eingefordert, dass wir bei uns in der Region im Ballungszentrum Augsburg, so wie in anderen Ballungszentren in Bayern und darüber hinaus auch einen S-Bahn-Verkehr, nämlich einen bestmöglichen Schienen personennahverkehr in der Region brauchen. Zwei Jahre später, beim Fahrplanwechsel 2008 und beim Fahrplanwechsel 2008/2009, ist dann damals der Fuggerexpress eingeführt worden. Es ist eine Verbesserung gewesen, aber uns wurde immer wieder gesagt, die Infrastruktur in der Region, insbesondere die Strecke Ulm–Augsburg, die reicht nicht aus, um einen exakten 15 Minuten Takt fahren zu können. Also wir brauchen einen Ausbau der Infrastruktur, um einen S-Bahn-Verkehr in der Region umsetzen zu können. Und dann begann das große Ping-Pong-Spiel. Immer wieder zwischen München und Berlin. In Berlin gab es immer wieder die Antwort "Die Infrastruktur können wir nicht ertüchtigen, weil es ist ein Nahverkehrsprojekt". Und in München gab es die Antwort "Ja, es ist ein Nahverkehrsprojekt. Aber die Kosten sind so enorm hoch, dass wir das als Freistaat Bayern nicht leisten können dafür die Infrastruktur zu ertüchtigen." Und wir haben dann im Kreistag des Landkreises Augsburg Resolutionen verfasst, wir haben ganz viele Gespräche gehabt, wir haben unsere Forderungen gestellt. Bis dann im Jahr 2012 der damalige Bahnbeauftragte, der kürzlich in Pension gegangen ist, Klaus-Dieter Josel, uns eine Untersuchung der Bahn vorgestellt hat und dort hat er erstmals gesagt "Ja, ein drittes Gleis ist notwendig, um die Verkehre der Zukunft hier zu fahren." Also bis dahin wurde selbst der Bedarf eines dritten Gleises nicht zugestanden. Da war dann das dritte Gleis im Raum gestanden. Und darauf aufbauend haben wir dann eben eingefordert, wir wollen dieses dritte Gleis haben. Und so ist entstanden diese Forderung nach besserem Nahverkehr und die Chance dann zur Realisierung dieses dritten Gleises bestand dann, als bekannt wurde, dass mit Ausbau von Stuttgart 21 mehr Fernverkehr auf die Strecke zwischen Ulm und Augsburg kommen wird und jetzt für den Fernverkehr aber der Bund zuständig ist und die große Chance darin besteht, wenn wir in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden, dass dann der Ausbau dieser Fernverkehrsstrecke erfolgt und wir im Schlepptau dieses Fernverkehrsausbaus dann auch den Nahverkehr in der Region deutlich stärken können. Und das war ein Thema, das ich eben als Kommunalpolitiker damals als Stadtrat und später als Bürgermeister der Stadt Neusäß mit begleitet habe, mit stark vorangetrieben habe. Und darum ist mir auch so wichtig, dass wir eben sowohl den Fernverkehr als auch den Nahverkehr in der Region stärken mit diesem Projekt.

00:09:11: Theresa Wiesmeier: Und durch unser Projekt können wir durch die zusätzlichen Gleise nicht nur einen effizienteren Nahverkehr anbieten, sondern wir können mit Zusmarshausen auch einen möglichen neuen Regionalhalt schaffen. Wer soll den eigentlich bezahlen? Der Freistaat, weil Nahverkehr Ländersache ist? Der Bund, weil Ulm–Augsburg ein Bundes-Projekt ist oder jemand ganz anders?

00:09:36: Hansjörg Durz: Also zunächst mal haben wir als Region uns darauf verständigt wir kämpfen gemeinsam für den Mehrwert der Region und zu diesem Mehrwert der Region da gehört natürlich, dass wir auch entlang der Bestandsstrecke bestmöglichen Lärmschutz ausgebaut bekommen, dass die Bahnhöfe entlang der Bestandsstrecke barrierefrei saniert werden und dass in Zukunft der Nahverkehr deutlich gestärkt wird. Und mit einem Bahnhalt in Zusmarshausen wird der Nahverkehr natürlich nochmals deutlich verbessert werden. Es wird ein neuer Raum erschlossen, der bisher durch die Bahn nicht erschlossen ist. Aber es ist natürlich auch hoch attraktiv, wenn dann von Zusmarshausen nach Augsburg mit einem Stopp in Augsburg-Oberhausen dazwischen die Menschen in 15 Minuten fahren können und ihr Ziel erreichen können. Das ist hochattraktiver Nahverkehr, das ist ein Expresszug, der dann dort fahren wird. Aber es ist noch eine lange Wegstrecke, dorthin zu gehen. Zunächst mal ist es ja wichtig, dass der Bund sich dafür ausgesprochen hat, dieses Projekt auch zu unterstützen und auch die Mehrkosten zu tragen, die dadurch entstehen, dass wir in Zusmarshausen dann etwa auf Niveau der Autobahn mit der Bahnstrecke landen werden. Das erfordert enorme Mehrkosten, weil längere Strecken im Tunnel gebaut werden müssen. Also da ist es schon mal wichtig, dass der Bund dort zugesagt hat, dass er mitmacht, dass er dieses auch finanziert. Was die ganz konkrete Bahnhofsinfrastruktur angeht, ist die Finanzierung Stand heute noch nicht gesichert. Der Bund sagt, er ist dafür nicht zuständig. Der Freistaat sagt aktuell, er hat dafür nicht die Mittel. Beim Freistaat ist auch zunächst mal wichtig, dass er überhaupt die Verkehre bestellt, dass er überhaupt die Finanzierung der Verkehre dann zwischen Zusmarshausen und Augsburg beziehungsweise es geht ja weiter zwischen Augsburg und Ulm dann übernimmt. Also da werden wir noch viele Diskussionen führen, wer denn tatsächlich diesen Ausbau der Station finanziert. Das ist Stand heute noch nicht final geklärt.

00:12:03: Andrea Morgenstern: Wir gehen erst mal einen Schritt nach dem anderen. Nächstes Jahr, 2025, übergeben wir nämlich die Planungsunterlagen dem Bund für die Parlamentarische Befassung. Dabei wird im Deutschen Bundestag über unser Projekt und auch über unsere Vorschlagsvariante abgestimmt. Herr Durz, wie kann man sich das genau vorstellen? Wie läuft das ab so eine Befassung?

00:12:22: Hansjörg Durz: Es wird der ganze Plan, den Sie erarbeitet haben und der dann mit unterschiedlichen Behörden abgestimmt ist, wird beim Bundesverkehrsministerium dann eingereicht. Mit den ganzen Erklärungen und Beschreibungen dazu. Und das Bundesverkehrsministerium wird das Projekt dann in ein Gesetz übernehmen. Ob das jetzt ein Gesetz ist, das sich nur mit dem Projekt Ulm–Augsburg befasst oder in dem mehrere Projekte mehrere Bahnprojekte enthalten sind, das ist noch offen. Das muss das Bundesverkehrsministerium für sich entscheiden. Jedenfalls wird dann dieses Gesetz in den Bundestag eingebracht. In erster Lesung wird darüber dann beraten, wird also im Bundestag darüber diskutiert. Ich gehe mal davon aus, dass es eher mehrere Maßnahmen sind, die in dem Gesetz stehen. Dann wird eher allgemeiner im Bundestag darüber diskutiert werden, also generell über die Projekte insgesamt. Und dann wird nach der ersten Lesung dieses Gesetz den Bundestagsfraktionen zugeleitet. Die Fraktionen werden dann intern darüber beraten, dann geht es in die Ausschusssitzungen, also der Verkehrsausschuss im Deutschen Bundestag wird sich mit dem Gesetz dann befassen. Und wenn der abschließend einen Beschluss dazu gefasst hat, geht es wieder zurück ins Plenum, in den Deutschen Bundestag. Und dann wird in zweiter, dritter Lesung noch mal darüber beraten werden, wird ein Beschluss gefasst werden und dann kann es weitergehen.

00:14:01: Andrea Morgenstern: Dann geht's hoffentlich weiter, ja.

00:14:04: Theresa Wiesmeier: Sie haben es schon angesprochen Sie sind von Beginn an des Projektes auch mit im Boot. Sie engagieren sich mit einigen anderen CSU-Politikern in einer Arbeitsgruppe, die sich mit unserem Bahnprojekt beschäftigt, und in den Veröffentlichungen daraus hieß es in der Vergangenheit "Druck aufrechterhalten" oder der "Bahn mit Geschlossenheit begegnen". Das klingt eher nach Gegeneinander als nach Miteinander, meinen Sie nicht auch?

00:14:32: Hansjörg Durz: Nein, da bin ich sehr viel anderer Meinung. Es ist ein großes Miteinander, das dort stattfindet. Also wir haben in der Region ja ganz unterschiedliche Formate, in der wir versuchen, die Informationen zu transportieren zu den Kommunalpolitikern, aber auch in die Bevölkerung. Und wir haben insbesondere angesiedelt beim Landrat gibt es die Formate der Besprechungen mit den Bürgermeistern, es gibt die Besprechungen auch mit anderen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern. Und wir haben innerhalb der CSU auch dieses Format des Steuerungskreises, in dem eben die unterschiedlichsten Blickrichtungen der unterschiedlichsten Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker zusammengeführt werden und wo wir versuchen, einen gemeinsamen Weg zu finden und diese große Überschrift "Mehrwert für die Region", das eint uns alle. Und dazu haben sich alle bekannt. Es geht einfach darum, dass wir für die gesamte Region den bestmöglichen Lärmschutz, die Bahnhöfe barrierefrei und eben auch den bestmöglichen Schienenpersonennahverkehr realisiert bekommen. In diesem Steuerungskreis gibt es natürlich auch immer Defizite, die aufgezeigt werden aus den unterschiedlichen Blickrichtungen. Und was man schon sagen muss, dass auch das Projektteam sehr offen war für Kritik, die kam und die auch immer noch kommt. Und dann gilt es aber gemeinsam lösungsorientiert zu versuchen, eben einen Weg zu finden, wie die Belastungen möglichst reduziert werden, wie eine Lösung erarbeitet werden kann, die dann aus den verschiedenen Blickwinkeln auch stimmig ist. Und dazu hat der Steuerungskreis, den wir innerhalb der CSU haben, glaube ich, auch sehr viel beigetragen und wird auch weiterhin dazu viel beitragen, weil es geht jetzt darum, dass wir eben diese Vorschlagsvariante noch weiter optimieren. Wir müssen einen Weg finden, wie wir möglichst nah zum Beispiel am Güterverkehrszentrum die Trasse entlang führen können, dass möglichst wenige landwirtschaftliche Flächen durchschnitten werden. Wir müssen einen Weg finden, wie wir insbesondere für Hirblingen, für Adelsried und für Zusmarshausen-Wollbach einen bestmöglichen Lärmschutz realisiert bekommen. Und da wird der Steuerungskreis auch weiterhin seinen Beitrag, und zwar einen positiv-konstruktiven Beitrag leisten.

00:17:10: Andrea Morgenstern: Ich möchte noch mal auf das Thema Generalsanierung hochbelasteter Bahnstrecken in Deutschland zurückkommen. Herr Durz, Sie schreiben dazu "Wir brauchen Gesetz und Geld, erst dann kann die Sanierung starten." Sie sind Parlamentarier im Bundestag, können Sie hier nicht etwas nachhelfen?

00:17:26: Hansjörg Durz: Also grundsätzlich ist für das Gesamtpaket, für die Entscheidung bei der Trassenauswahl enorm wichtig gewesen, dass die Entscheidung in Berlin für die Hochleistungskorridore getroffen wird. Und vor allem, dass im Jahr 2030 die Strecke zwischen Ulm und Augsburg, und zwar die Bestandsstrecke, generalsaniert wird, weil wir dadurch viele dieser Punkte, die wir unter diese Überschrift "Mehrwert der Region" geschrieben haben, umgesetzt bekommen. Und in dem Moment ist auch die Zustimmung für das Projekt insgesamt in der Region deutlich angewachsen. Wenn wir uns die Sanierung der Hochleistungskorridore aktuell ansehen, dann beginnt in Kürze das erste große Projekt, nämlich die Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim in der Sanierung. Dann wird über mehrere Monate diese Strecke gesperrt werden und wird eben generalsaniert. Die ist auch finanziert. Allerdings sind noch nicht alle Strecken, die geplant sind, für die Sanierung der Hochleistungskorridore Stand heute ausfinanziert. Es sind nur die – man kann es nicht genau sagen, bisher das kommt darauf an, welche Kosten die einzelnen Projekte auslösen – aber es sind nur die in den ersten Jahren saniert, die später folgen werden, auch unsere, die ja im Jahr 2030 kommt, dafür stehen die Finanzmittel Stand heute noch nicht zur Verfügung. Und deswegen geht die Arbeit unvermindert weiter, eben auch in Berlin und werde ich mich weiterhin massiv dafür einsetzen, dass auch die Finanzierung dieser Strecken, die dann später in der Sanierung folgen werden, dass die finanziert und zwar auskömmlich finanziert werden. Also wir sind da schon ein ganzes Stück weitergekommen, auch was den gesetzlichen Rahmen angeht bei den Korridorsanierungen. Aber die Finanzierung ist Stand heute nicht sichergestellt, insbesondere für die späteren Maßnahmen nicht.

00:19:39: Theresa Wiesmeier: Noch eine generelle Frage zur Verkehrswende: Wie kriegen wir die jungen Leute von der Straße auf die Schiene?

00:19:47: Hansjörg Durz: Je nachdem, ob wir über das städtische oder über das ländliche Umfeld sprechen. Im städtischen Umfeld hat zum Beispiel ein günstiges Ticket schon dazu geführt, dass mehr Menschen umgestiegen sind von der Straße auf die Schiene. Im ländlichen Raum ist elementar, dass wir die Infrastruktur ertüchtigen, ausbauen. Das tun wir ja gerade mit der Strecke Ulm–Augsburg. Ansonsten müssen wir dafür sorgen – das ist aber jetzt eher ein Thema der Bahn – dass natürlich die Pünktlichkeit auch sehr zuverlässig sein wird. Das führt ja auch immer wieder zu Frustration und dazu, dass die Menschen sagen, ich wende mich eher ab von diesem Verkehrsmittel. Also der Vielzahl von Maßnahmen, Ausbau der Infrastruktur, attraktive Fahrpreise, die Pünktlichkeit der Bahn. Und dann werden wir auch in Zukunft deutlich mehr Fahrgäste auf der Schiene sehen. Das Verkehrsmittel Schiene ist im Grundsatz hoch attraktiv. Ich kann die Zeit, wenn ich von Augsburg nach Berlin fahre, immer sehr gut nutzen. Die Fahrzeit ist nicht so zerhackt, man sitzt sich auf seinen Platz und kann da in dem Fall, wenn es ideal ist, mit dem Sprinter in 4:20 Stunden durcharbeiten. Man kann die Zeit gut nutzen und man kommt ziemlich entspannt dann am Ziel an. Also das Verkehrsmittel Bahn ist sehr attraktiv, aber wir müssen insgesamt gemeinsam das Umfeld noch deutlich verbessern, dass es attraktiver wird, auch insbesondere für jüngere Fahrgäste.

00:21:31: Andrea Morgenstern: Auch jetzt wieder Teamwork angesagt. Als Bundestagsabgeordneter drängen Sie bei einem Bundesprojekt auf Verbesserungen im Nahverkehr, was aber eigentlich Ländersache ist. Wie verteilen Sie und Ihre Länderkolleginnen und -kollegen so die Aufgaben unter sich?

00:21:49: Hansjörg Durz: Die Zuständigkeiten sind ja klar geregelt. Aber ich bin Wahlkreisabgeordneter. Mir geht es darum, für die Menschen vor Ort in meinem Wahlkreis die beste Schieneninfrastruktur und die beste Mobilität umgesetzt zu bekommen. Ich habe aber natürlich auch den bundesweiten Blickwinkel und muss mich auch darum kümmern, dass es ins Gesamtgefüge des Bundes passt und dass wir auch bundesweit hoch attraktive Schienenverbindungen haben. Ich versuche, mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Bayerischen Landtag gemeinsam und auch das findet im Übrigen in unserem Steuerungskreis statt. Ich versuche, mit ihnen gemeinsam eben diese unterschiedlichen Aspekte zusammenzubringen und dann die Lösung zu finden, dass wir sowohl den Fernverkehr als auch den Nahverkehr verbessern. Und übrigens auch den Güterverkehr, den darf man auch nicht vergessen. Aktuell ist das große KV-Terminal endlich im Bau, also das große Umschlagterminal in Augsburg im Güterverkehrszentrum. Der Güterverkehr wird in Zukunft eine auf der Schiene noch eine viel, viel größere Bedeutung haben, als das in der Vergangenheit der Fall war. Und zwar nicht nur darin, dass CO2 eingespart wird, sondern auch, dass es hoch attraktiv sein wird, Güter auf der Schiene zu transportieren. Auch das ist ein Projekt, wo dieses Zusammenspiel zwischen Bundespolitik und Landespolitik, aber auch Kommunalpolitik enorm wichtig ist. Und da ist der Austausch dieses Miteinander von großer Bedeutung.

00:23:34: Andrea Morgenstern: KV, vielleicht ganz kurz, der kombinierte Verkehr. Da sind sich Politik und Bahn sich vielleicht ähnlich mit unseren Abkürzungen.

00:23:40: Hansjörg Durz: Ganz genau. Vielen Dank für die Erläuterung. Ist wichtig.

00:23:44: Theresa Wiesmeier: Kommen wir schon zu den Begriffen. Erste Begriff Herr Durz: das "Bundesschienenwegeausbaugesetz".

00:23:54: Hansjörg Durz: Ich habe vorher vom Bundesverkehrswegeplan gesprochen. Der Bundesverkehrswegeplan ist zunächst nur die Festlegung dessen, was der Bund an Projekten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf der Straße, auf der Schiene und auf den Wasserwegen angehen möchte. Das ist nur ein Beschluss des Bundeskabinetts und das muss dann in ein Gesetz gegossen werden. Und der gesetzliche Beschluss dazu ist genau im Schienenbereich das Bundesschienenwegeausbaugesetz.

00:24:32: Theresa Wiesmeier: Wunderschöner Begriff. Zweiter Begriff: "NKV, das Nutzen-Kosten-Verhältnis".

00:24:39: Hansjörg Durz: Das ist hochspannend, insbesondere in diesem Zusammenhang. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis, das stellt also gegenüber, welchen Nutzen eine Infrastrukturmaßnahme hat und welche Kosten dadurch ausgelöst werden. Wenn dieses Nutzen-Kosten-Verhältnis über eins ist, ist es schon mal positiv. Unser Projekt ist schon im Bundesverkehrswegeplan noch mal ein Stück positiver gewesen. Da war das Nutzen-Kosten-Verhältnis bei 2,1. Die jetzt ausgewählte Trasse, die ist noch mal deutlich besser – wohl, es ist noch nicht final geklärt - aber zumindest mal beim Trassenauswahlverfahren war die jetzt Ausgewählte schon ganz gut dagestanden. Und das eröffnet auch noch den Spielraum, dass wir den Lärmschutz entlang der Strecke noch mal deutlich verbessern können.

00:25:34: Theresa Wiesmeier: Und dritter Begriff: "Planungsauftrag".

00:25:38: Hansjörg Durz: Der Bund plant nicht selber, sondern der Bund vergibt die Planung einer jetzt in dem Fall Schienenverkehrstrasse an die DB Netz damals. Und dieser Planungsauftrag, also der Auftrag des Bundes an die DB, zu planen, dieses Projekt ganz speziell zu planen, das ist der Planungsauftrag. Und damit ist es dann eigentlich losgegangen. Daraufhin hat sich das Projektteam hier dann zusammengefunden und hat mit den Planungen begonnen.

00:26:11: Theresa Wiesmeier: Das heißt, wir haben uns das Projekt nicht selbst ausgedacht, sondern wir haben tatsächlich auch den Planungsauftrag vom Bund bekommen als DB.

00:26:20: Hansjörg Durz: So war der Weg genau.

00:26:23: Andrea Morgenstern: Herr Durz, ganz lieben Dank für die Insights aus Berlin. Sehr spannend. Danke, dass Sie uns so kleinen Studio zu Besuch war.

00:26:32: Hansjörg Durz: Sehr gerne. War sehr nett hier.

00:26:34: Andrea Morgenstern: Theresa, wir verabschieden uns mit dieser Podcastfolge jetzt erst mal in die Sommerpause. Aber wir kommen natürlich wieder. Im September geht es weiter mit neuen, spannenden Gästinnen und Gästen. Und bis dahin...

00:26:47: Theresa Wiesmeier: ... einen hoffentlich warmen Sommer!

00:27:04: Outro: Das war ein Podcast vom Bahnprojekt Ulm - Augsburg. Es sprachen: Andrea Morgenstern und Theresa Wiesmeier. Redaktion: Andrea Morgenstern und Jakob Neumann. Produktion und Schnitt: Jakob Neumann.

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